Partytime in Hitsville
Das Motown-Label feiert 50. Geburtstag
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Partytime in Hitsville
Das Motown-Label feiert 50. Geburtstag
16.01.2009 Es war einmal, vor nicht allzu langer Zeit, da lagen die gesellschaftspolitisch noch ziemlich bornierten USA unverhofft in der festen Umklammerung afroamerikanischer Popkultur. In Memphis, Tennessee, produzierte das Plattenlabel Stax Records den brodelnden und erdigen Southern Soul von Otis Redding, Isaac Hayes oder Sam & Dave. Und gegenüber im Norden, in der Industriemetropole Detroit, Michigan, entwickelte man zeitgleich eine glatte und mehrheitsfähige Soul-Variante, die das Phänomen Popmusik überhaupt erst sinnfällig definierte. Vor 50 Jahren, am 12. Januar 1959, gründete der ehemalige Boxer und Fabrikarbeiter Berry Gordy ein Independent Label, das anfänglich den Namen Tamla Records trug und schon sehr bald Geschichte machte.
Der Überlieferung nach borgte sich der findige Geschäftsmann bei seinem Vater ein Startkapital von 800 Dollar. Als Gordy seine Firma, die er zwischenzeitlich in Motown Records umgetauft hatte, 1988 an MCA verkaufte, flossen rund 61 Millionen Dollar. Ein Preis, der wohl noch deutlich unter Wert lag.
Dennoch steht Motown - eine Hommage an die "Motortown" Detroit - nicht nur für ein ziemlich einträgliches Geschäftsmodell. Untrennbar mit dem Label verbunden sind Namen wie Marvin Gaye, The Supremes, Stevie Wonder und The Four Tops - mithin also einige der wegweisenden Soul- und R&B-Interpreten der 60er- und 70er-Jahre.
Wie es zu dieser Erfolgsgeschichte kam, ist zumal aus heutiger Sicht allerdings beachtlich. Berry Gordy, ein Kontrollfreak und so etwas wie der erste Plattenmogul der Musikgeschichte, hatte seine Lektion aus früheren Tätigkeiten gelernt. Er wollte Effizienz und Schnelligkeit, wie er sie von den Fließbändern der Autofabriken kannte. Und er bestand auf klaren Regeln und auf sein Vetorecht als Boss.
"Keep it simple, stupid", lautete die Maxime, die vom Hauptquartier - sinnfällig "Hitsville USA" getauft - ausging. Um auch das weiße Publikum mit schwarzer Musik zu erreichen, sollten Ecken und Kanten geschliffen werden und die Refrains schon beim ersten Hören zum Mitsingen verleiten. Argumentiert man bösartig, liegt hier die Keimzelle des kommerziellen Plastik-Pop vom Reißbrett, wie er heute die Politik der Major-Label bestimmt. Doch die Brillanz der frühen Motown-Aufnahmen, die über die Jahre nichts an Frische eingebüßt haben, lässt wenig Einwände zu.
Gordys Plan trug schnell Früchte. Mit "Please Mr. Postman" landeten die Marvelettes 1960 den ersten Nummer-eins-Hit der Label-Geschichte. 188 weitere sollten folgen. Alleine zwischen 1961 und 1972 erreichte man 110 Mal die Top-Ten. Natürlich hatte Gordys kompromisslose Alleinherrschaft auch ihre Schattenseiten. Gerade Künstler mit eigenständigen Visionen wie Stevie Wonder und vor allem Marvin Gaye hatten unter ihm bisweilen zu kämpfen.
Eine Veröffentlichung von Gayes epochalem Eifersuchtsdrama "I Heard It Through The Grapevine" blockierte Gordy jahrelang. Nicht weniger eklatant war seine Fehleinschätzung im Fall des innovativen Konzeptalbums "What's Going On" (1971). Die kunstvoll verwobenen, schwerelos ineinanderfließenden Stücke wolle doch keiner hören, befand der irritierte Mogul, dem auch Gayes Sozialkritik auf den Magen schlug. Das Album erschien zum Glück trotzdem und zählt heute zu den meistverkauften LPs der Plattenschmiede.
Nicht nur auf großartigen Performern wie Marvin Gaye, den Marvelettes oder den Temptations fußte der Erfolg von Motown, sondern auch auf dem genialischen Songwriter-Trio Brian Holland / Lamont Dozier / Eddie Holland, dem nicht alleine die Supremes quasi eine ganze Karriere verdankten. Und er stützte sich auf Session-Musiker wie die Funk Brothers, die in den 60-ern ihresgleichen suchten und denen der Dokumentarfilm "Standing In The Shadows Of Motown" 2002 die verdiente Würdigung zuteil werden ließ.
Ganz klar: Die entscheidenden Motown-Jahre waren die 60-er und in Teilen noch die 70-er. Mit Abdanken der Songwriter Holland-Dozier-Holland im Jahr 1967 ließ rasch die Hitdichte nach, vor allem aber die Qualitität der Songs. 1972 zog Gordy mit seinem Imperium von Detroit nach Los Angeles, um dort ins Filmgeschäft einzusteigen. Vielleicht so etwas wie der Anfang eines schleichenden Endes.
Heute existiert der Name Motown noch als Unterlabel beim Major Universal. Der veröffentlicht unter dem legendären Banner in Kürze ein Album des Filmsternchens Lindsey Lohan, ist an der Reissue-Front aber zugleich um Denkmalpflege bemüht. Bereits erschienen ist das hübsch verpackte Boxset "The Complete Motown No.1's". Weitere Compilations, Vinyl-Reissues und ein Tribute-Album werden ab Februar folgen.
Und Berry Gordy? Den neuesten Pressefotos nach zu urteilen spielt er heute vor allem Golf. ~ Jens Szameit (teleschau)
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