Gäste raus, Video rein
Die Chemical Brothers veröffentlichen "Further"
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Gäste raus, Video rein
Die Chemical Brothers veröffentlichen "Further"
17.06.2010 "Visuals bringen nicht besonders viel, wenn die Musik scheiße ist. Wenn du Dich ausschließlich für Visuals interessierst, solltest du einen Film anschauen", sagt Tom Rowlands, die etwas freundlichere Hälfte der Chemical Brothers. Sein Kollege Ed Simons knurrt zustimmend. Er knurrt oft zustimmend. Beide machen an jenem Nachmittag in einem Pub in Camden Town nicht den Eindruck, als ob die Sache mit den Interviews ihnen besonders viel Spaß machen würde. Verständlich, immerhin sind sie seit über 15 Jahren im Spiel und haben vermutlich selbst die originellste Frage schon diverse Male gehört. Dennoch besteht Gesprächsbedarf.
Dieser Tage erscheint mit "Further" ihr siebtes Studioalbum. Es ist ein Album, das ohne Gastvocals auskommt. Das ist nicht weiter schlimm, weil es gerade deshalb sehr intensiv klingt, kaum nach Pop, eher nach Techno und Psychedelic. Das wird durch erwähnte Visuals unterstützt. Die begleiten jeden Song auf dem Album, sodass die Band dringend zum Kauf der DVD-Variante rät.
Die kurzen Filme inszenierten Adam Smith und Marcus Lyall, die normalerweise für die Bühnen-Visuals der Chemical Brothers verantwortlich zeichnen. "Ein Konzert im Wohnzimmer", so sagt Simons, könne man mit "Further" erleben und fügt an, dass das eine ziemliche Neuheit sei. Und in der Tat, gegen die klassische Verwertungskette, die aus einem Album eine Tournee und aus einer Tournee eine Live-DVD generiert, sperrte sich das Duo stets - zum großen Kummer ihrer Plattenfirma. Wer die Kombi aus Band und Bewegtbild wollte, musste sich also schon auf eines der Konzerte der beiden bequemen. Das, so erklärt Simons, sei auch einer der Denkansätze von "Further" gewesen. Das neue Werk als multimediale Live-Angelegenheit, einzig und alleine aufgeführt bei einigen Konzerten.
Das wäre dem Chemical-Brothers-Label EMI wohl schwer vermittelbar gewesen, sodass man es bei einigen Uraufführungen der Platte vorm regulären Release beließ. Und es war auch erst der zweite Gedanke. Der erste entstand nach den letzten Live-Abhandlungen des Vorgängeralbums "We Are The Night": "Wir setzten uns zusammen und dachten darüber nach, wie wir diese Platte gestalten wollen würden. Das Erste, was wir entschieden, war der Verzicht auf Gastvocals. Die Kollaboration mit anderen Künstlern ist eine sehr eigene Art, Musik zu machen, und wir hatten einfach das Gefühl, dass die für uns beendet sei", erinnert sich Ed Rowlands.
Man habe sich eben nach einer gewissen Veränderung gesehnt, fügt Simons an: "Wir sind seit 1995 dabei. Wir haben die neuen technischen Möglichkeiten und den Umbruch der Musikindustrie sehr direkt miterlebt." So habe man sich für die Visuals entschieden. Quasi als Gast-Ersatz, als Klammer für das Album. Eine Klammer, die nötig sei, denn die Art, auf die Musik heute konsumiert werde, sei eine andere als früher. Eine schnellere, eine, die es dem Song schwerer mache, zu bestehen: "Wenn man eine halbe Stunde im Internet ist, kann man sich durch tausend Folder und Playlists klicken. Schon in ein paar Minuten bei Twitter finde ich sechs, sieben neue Stücke", sagt Simons - und macht keinen Hehl daraus, dass ihn diese Vielfalt durchaus fasziniert.
Den Gesang übernahmen die Chemical Brothers also selbst. Sie sampelten ihre eigenen Stimmen, was für sie ein Segen war, weil sie auf keine fremden Eitelkeiten Rücksicht nehmen mussten, vor allem aber auf keine formattechnischen Vorgaben. "Es gab nicht irgendwelche Strophen oder Refrains", erklärt Rowlands. "Wir verwendeten eher Vocals, wenn sie von der Melodie her passten oder die Worte interessant waren. Aber am Ende trägt die Musik diese Vocals. Es ist nicht mehr umgekehrt."
Der Verzicht auf Gäste hatte im Übrigen einen weiteren Vorteil: Sechs Alben lang mussten die Chemical Brothers immer darauf warten, dass irgendjemand Zeit hatte, um ins Studio zu gehen, aber auch darauf, dass jene Studioarbeit beendet war. Klar, so sagen sie heute, sei das oft kreativ sehr nahrhaft und außerdem spaßig gewesen, und natürlich habe man sich gegenseitig Impulse geliefert. Aber: "Wir brauchen das nicht", sagt Edwards. "Oft war man an einem gewissen Punkt und konnte nicht weitermachen, weil irgendwelche Spuren fehlten. Wir waren diesmal nicht unbedingt schneller, aber arbeiteten stringenter."
Denn so wichtig die Visuals von Smith und Lyall für das fertige Produkt "Further" sein mögen: Sie sind weniger Teil der acht Stücke als eine Art Antwort darauf: "Die Musik kam immer an erster Stelle. Wir dachten durchaus darüber nach, mit einem Bild anzufangen und dann die dazu passenden Klänge herauszuarbeiten, aber merkten schnell, dass das nicht funktionierte. Also arbeiteten wir im Studio, Adam kam während des Aufnahmeprozesses vorbei, hörte sich unsere Zwischenstände an und dachte nach, wie er das umsetzen könnte", sagt Ed Simons. Das Ergebnis indes stellten Simons und Rowlands nie in Frage. Man sollte, so sagt Rowlands, die Dinge niemals überanalysieren und lächelt schmal. ~ Jochen Overbeck (teleschau)
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