The Streets

Computer-Kid im Gospelland


The Streets entdecken auf ihrem neuen Album "Everything Is Borrowed" das Göttliche im Alltag

Aktueller Artikel im akuma.de Magazin zu The Streets
» Übersicht von The Streets anzeigen

Computer-Kid im Gospelland

The Streets entdecken auf ihrem neuen Album "Everything Is Borrowed" das Göttliche im Alltag

26.09.2008 Ein Rap-Album, bei dem das "moderne Leben" als Thema ausgespart bleibt? Klingt wie ein Widerspruch in sich. Doch Widersprüche sind ohnehin seine große Leidenschaft - die von Mike Skinner, dem Rapper, Musiktüftler und Superstar aus England. Dort erreichten die letzten beiden Alben seiner Band The Streets Platz Eins der Albumcharts. In Deutschland gilt die Musik der Einmann-Band hingegen immer noch als von Kritikern gefeiertes Underground-Werk. "Everything Is Borrowed" heißt das mittlerweile vierte Album von The Streets. Dass die Platte ganz anders klingt als ihre Vorgänger, mehr nach Himmel denn nach Straße nämlich, ist die vielleicht größte Überraschung des wohl vorletzten, hervorragenden neuen The-Streets-Albums.

Als erster Popstar, der "Mockney" sprach - also einen aufgesetzten Cockney-Akzent der Londoner Arbeiterklasse -, gilt Mick Jagger. Mike Skinner, eigentlich aus einer Mittelschichtfamilie in Birmingham, spricht "Mockney" allerdings nicht, um sich in Interviews volksnah zu geben. Für sein Projekt The Streets hat er "Mockney" zur sprachlichen Kunstform erhoben: überaus witzige, clevere Verse über das jugendliche Leben. 2002 wurde sein Sound mit dem Debütalbum von The Streets populär. Mike Skinner galt damals als Wunderkind, das seine Musik am Laptop im Kinderzimmer der mütterlichen Wohnung zusammenschraubte. Dafür hagelte es Preise, die Folgealben standen an der Spitze der britischen Charts - Mike Skinner wurde zum Celebrity.

The Streets - A

Im November wird er nun 30 Jahre alt, und sein neues Album erzählt erstmals nicht von den Irrungen und Wirrungen des modernen Lebens: "Ich will immer etwas Neues machen. Vom ersten Tag an wusste ich - wenn ich fünf Alben aufnehme, die sich ähneln, würden sie von Mal zu Mal langweiliger werden. Radikale Stilwechsel waren also von Anfang an eingeplant." Skinners neustes Album "Everything Is Borrowed" ist das Resultat einer Selbstbeschränkung: "Ich habe mich dazu gezwungen, das moderne Leben nicht zu erwähnen. Über modernes Leben habe ich ja zuvor schon viel gesagt." Natürlich will man wissen, von wem der Wahl-Londoner seine Zeit, sein Leben und all das geborgt haben mag. Und mit dem souligen, fast gospelhaften Sound des Albums drängt sich unweigerlich die eine Frage auf: Hat Skinner, das zynische Computer-Kid von einst, zum lieben Gott gefunden?

"Ich bin nicht religiös", antwortet er ziemlich straight. "Ich will auch nicht predigen, aber ich möchte Songs schreiben, die die Leute bewegen. Wenn ich eine Botschaft habe, dann die: Das Leben ohne Gott, sogar das Leben, dem man keine Bedeutung gibt, kann wunderschön sein." Auch wenn Skinner keinen Gott besingt, so klingt er doch äußerst ehrfürchtig dem Leben gegenüber. Das neue Album erzählt von bekehrten Selbstmordkandidaten ("On The Edge Of The Cliff"), von einem Vater, der seinen Sohn zum Genuss des Lebens erziehen will ("On The Flip Of The Coin") und immer wieder von der Schönheit der Natur ("The Escapist", "The Way Of The Dodo").

Verpackt hat der Mann hinter The Streets seine neuen Geschichten in einen lebensbejahenden, ungewohnt souligen Sound, für den er fast ausschließlich natürliche Instrumente verwendete. Sind die Tage im Kinderzimmer, ist das die Möglichkeiten beschränkende Laptop-Gefrickel also endgültig vorbei?

"Natürlich bin nicht mehr der Junge, der in seinem Kinderzimmer mit dem Laptop Musik macht. Ich bin ein Mann, der diese Musik in einem noch kleineren Zimmer produziert. Mein heutiges Studio ist in der Tat kleiner als das Zimmer bei meiner Mom, aber es steht mehr Equipment drin, das ich über die Jahre angesammelt habe.", erklärt er. Trotzdem sei das Gefühl ein ähnliches: "Ich habe in Prag ein Orchester aufgenommen, außerdem eine Kirchenorgel, einen Gospelchor - dennoch endete alles in diesem einen kleinen Raum. 99 Prozent der Zeit arbeitete ich in diesem Zimmer. Es ist also ein Mix zwischen dem Laptop-Kid in seinem Zimmer und einem Musiker, der auf der ganzen Palette spielt."

The Streets - K

Mike Skinner ist mehr als ein Popstar, der seinen Stil, seine clevere Idee, sein Erfolgsrezept über die Jahre moderat variiert. Von Anfang an sagte er, dass er unter dem Namen The Streets fünf Alben aufnehmen würde. Nach dem gefeierten Debüt von 2002 waren dies bislang zwei Konzeptalben, eines über einen verlorenen 1000-Pfund-Schein und eines über das abgefuckte Leben der Celebrities. Nun also Mike Skinners philosophisches Soulalbum, vielleicht sein bestes bisher. Glaubt der Spät-Twen immer noch, dass nach dem nächsten, dem fünften Album, definitiv Schluss sein wird?

"Ja, möglicherweise - hoffentlich.", sagt er: "Die Idee, die ich verfolgte, war, dass diese Musik anfangs sehr neu klang, dass niemand etwas Vergleichbares zuvor gehört hatte. Ich versuche, mich nicht zu wiederholen. Trotzdem habe ich nach und nach gewisse Muster, einen Stil entwickelt. Ich denke, meine Fähigkeit, die Leute zu schockieren, lässt nach - solange ich The Streets bin. Ich will das Gefühl und die Aufregung zurück, die die Leute beim ersten Album für mich empfanden."

Mit der Musik ganz aufzuhören, das kann man sich bei Mike Skinner nicht vorstellen. Er selbst vielleicht auch nicht. Dennoch könnte es nach dem nächsten, letzten Album, das ein futuristisches Synthesizer-Werk im Stile von Lou Reeds Berlin werden soll, zu einer Pause, einem sich Ausprobieren auf anderen Feldern kommen: "Wenn ich mit dem fünften Album durch bin, werde ich wohl einen Film machen. Dann vielleicht ein Country- oder ein Technoalbum. Etwas, das ich noch nie zuvor getan habe und in das ich meine Persönlichkeit hineinscheinen lassen kann." ~ Eric Leimann (teleschau)


Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu The Streets

Computer-Kid im Gospelland

The Streets entdecken auf ihrem neuen Album "Everything Is Borrowed" das Göttliche im...
Computer-Kid im Gospelland

Ein Rap-Album, bei dem das "moderne Leben" als Thema ausgespart bleibt? Klingt wie ein Widerspruch in sich. Doch Widersprüche sind ohnehin seine große Leidenschaft - die von Mike Skinner, dem Rapper, Musiktüftler und Superstar aus England. Dort erreichten die letzten beiden Alben seiner Band The Streets Platz Eins der Albumcharts. In Deutschland gilt die Musik der Einmann-Band hingegen immer noch als von Kritikern gefeiertes Underground-Werk. "Everything Is Borrowed" heißt das... mehr »


Weitere Meldungen zu The Streets


CD-Kritiken zu The Streets-Alben