Die estnische Girl-Band "Vanilla Ninja" wurde Mitte 2002 gegründet, im Wesentlichen eine Kreation der Plattenfirma "TopTen". Klar, Kommerz regiert, und es ist schwer, sich des Eindrucks zu erwehren, "Vanilla Ninja" sei mehr als eine auf Profit ausgerichtete Inszenierung. Was keineswegs das Ansehen der (damals vier) auserkorenen Mädels schmälern soll, zumal sie alle von ihrer Kindheit an Musik machen. Gelegentlich ist zu lesen, sie könnten gar nicht spielen und würden live nicht selber performen. ~ Metal Channel aufklappen »
Auch von Skandalen um Chart-Manipulationen ihrer Produzenten/Manager wurde berichtet (z.T. auch nachgewiesen), was zweifellos ein unschönes Licht auf die in der Musikindustie üblichen Praktiken wirft. Allerdings ist es meistens nicht gerechtfertigt, den eigenen Ärger über die Verlogenheit des Musikgeschäfts an Künstlern auszulassen, wenngleich sich viele vor den Karren des Mammons spannen lassen. Tatsächlich lassen sich die meisten Behauptungen (da es emotionale Urteile sind) über Unfähigkeiten von Musikern kaum beweisen.
Im Falle von "Vanilla Ninja" lassen sich von Nicht-Insidern keine eindeutigen Belege finden, dass sie nicht selber spielen - obwohl durchaus einige Verdachtsmomente vorliegen. Wie's letztendlich aussieht, sei schlichtweg dahingestellt. Auch sollte bedacht werden, dass praktisch kein Künstler, ohne sich einem Label bzw. einer Produktionsfirma auszuliefern, auch nur den Hauch einer Chance hat, sich einem breiteren Publikum zu präsentieren. Dass Produktionsfirmen in regelmäßigen Abständen Künstler (aus dem Nichts heraus) generieren, ist eine andere Sache - dies ist aber auch den Konsumenten zuzuschreiben, die exakt danach schreien.
Genau genommen schreien sie nach einer Scheinwelt und danach, betrogen zu werden. Von Null auf Hundert in Rekordzeit, könnte man sagen, sieht man sich "Vanilla Ninja's" Erfolgsgeschichte an. Sie performten einen Hit nach dem anderen und erreichten zahlreiche Top-Platzierungen in den Charts der deutschsprachigen Länder und vor allem in ihrem Heimatland, Estland. Meist hielten sich ihre Songs dort wochen- bis monatelang. In Estland sind sie äußerst populär, sogar eine Eissorte und ein Süß-Snack (estn. Kohuke) trägt ihren Namen.
Der Name selbst soll im Zusammenhang mit der ostasiatischen Kultur (Ninja) und ihren (damals bei allen) blonden Haaren sowie Weiblichkeit stehen (Vanille, eine Orchideenart, ist übrigens das zweitteuerste Gewürz der Welt nach Safran). Ursprünglich bestand die Band aus Maarja Kivi, Lenna Kuurmaa, Katrin Siska und Piret Järvis. Maarja hatte 2002 bereits solo beim Eurolaul (Platz sieben) teilgenommen und errang auch beim estnischen Gesangswettbewerb "ETV-Laulukarussell" mehrere Siege (1993, 1994 und 1998).
Lenna Kuurmaa hatte beim estnischen Musikwettbewerb "Fizz Superstar 2002" (vgl. "DSDS" in Deutschland) teilgenommen. Beide wurden von Manager Peep Vedla für das Projekt "Vanilla Ninja" engagiert, das er mit Piret Järvis und Katrin Siska vervollständigte. 2003 erschien "Vanilla Ninja's" erstes selbstbetiteltes Album mit englischen und estnischen Songs. Die vorangegangene Teilnahme am estnischen Eurolaul (die Eurovision-Song-Contest-Vorentscheidung mit dem Song "Club Kung Fu") hatte ihnen bereits Popularität verschafft, sodass der Erfolg ihres Debüts vorprogrammiert war.
Es folgte der Umzug nach Deutschland, wo sie in Weil am Rhein weitere Titel aufnahmen und im Dezember 2003 ihr deutsches Single-Debüt "Tough Enough" herausbrachten - mit durchschlagendem Erfolg. Das 2004 erschienene Album "Traces Of Sadness" erreichte in den Charts Platz 14. Im gleichen Jahr schied Maarja aus, da sie Nachwuchs erwartete (ihre Tochter Dora-Liisa kam am 27.09.2004 auf die Welt). Für sie sprang Triinu Kivilaan, eigentlich estnisches Model, ein.
2005 brachte "Vanilla Ninja" weitere Popularität - sie wurden als Schweizer Vertretung mit dem Titel "Cool Vibes" für den Eurovision Song Contest ausgewählt, da ihr deutscher Produzent David Brandes in der Schweiz lebte... Schwierigkeiten gab es zunächst, da Triinu im Vorfeld des Contests noch keine 16 Jahre alt war und deswegen ihr Geburtsdatum falsch (04.08.1987 statt 13.01.1989) angegeben worden war. Da sie beim Finale jedoch 16 sein würde, klappte es dennoch und sie landeten auf dem achten Platz.
Als nächste Veröffentlichungen folgten die Singles "Liar", "When The Indians Cry", "Blue Tattoo" und das Album "Blue Tattoo", allesamt überaus erfolgreich. Wodurch wurde der überdurchschnittliche Chart-Erfolg mitbedingt? Durch Chartmanipulationen (also Hamsterkäufe der eigenen Produkte) seitens des Produzenten, wie eindeutig nachgewiesen wurde - eine Praxis, die im umkämpften stark kommerzialisierten Musikgewerbe üblich zu sein scheint. Nun - manche werden erwischt, so auch hier geschehen.
MediaControl verhängte eine dreimonatige Chartsperre für die Singles "Blue Tattoo", "I Know", die Alben "Traces Of Sadness" und "Blue Tattoo", ebenso für Gracias Single "Run & Hide", wo die Manipulationen ebenfalls aufgeflogen waren. In die Charts kehrten "Vanilla Ninja" jedoch (mit "I Know") bald zurück. Offensichtlich hatten sie (neben den im asiatischen Raum nach einer Tour hinzugewonnenen Fans) in Europa eine starke Fangemeinde, die ihnen gute Platzierungen verschaffte, ohne dass Manipulationen nötig waren.
Das Mangement war in der Zwischenzeit selbstverständlich ausgetauscht worden. Es schloss sich nun eine Zeit an, in der "Vanilla Ninja" kaum lukrative Engagements erhielten und in der sich das Ex-Mangement mit dem neuen Mangement eine Schlammschlacht lieferte. Die hässliche Schlacht um Geld ging auch weiter, als herauskam, dass Teile des "Cool Vibes"-Videos aus einem Video von "Deine Lakaien" geklaut worden waren. Anfang 2006 verließ Triinu Kivilaan die Band.
Ab da bestand "Vanilla Ninja" nur noch aus Lenna, Katrin und Piret. In dieser reduzierten Besetzung entstand das Album "Love Is War". Piret und Lenna haben sich dort zum zweiten Mal am Songwriting beteiligt. Anbei noch ein paar biographische Daten: Lenna Kuurmaa (Gesang, Gitarre), geb. 26.09.1985 in Tallinn, deutsches Gymnasium, zweimal Schüleraustausch in Deutschland, gute Deutschkenntnisse, Singen seit dem fünften Lebensjahr im ETV-Mädchenchor, sechs Jahre Geigenunterricht, Mitwirkung in Musicals wie "The King And I" oder "The Sound Of Music".
Piret Järvis (Gitarre), geb. 06.02.1984 in Tallinn, Tallinn-Schule Nr. 21 zus. mit Katrin, Studium Fach "Medien", Moderationen der Sendungen "Mad World" und "SuveFizz", 13 Jahre Chor-Mitglied, fünf Jahre Klavierunterricht. Katrin Siska (Keyboards), geb. 10.12.1983 in Tallinn, Tallinn-Schule Nr. 21 zus. mit Piret, Buchhaltungs-Studium, Model im estnischen FHM-Magazin, Mitglied in mehreren Chören, drei Jahre Klavierunterricht. Maarja Kivi (Gesang, Bass) [Ex-Ninja], geb. 18.01.1986 in Tallinn, spielt auch Saxophon Triinu Kivilaan [Ex-Ninja], geb. 13.01.1989 in Viljandi, Carl-Robert-Jakobsoni-Nimeline-Gymnasium in Viljandi, vier Jahre Unterricht (Bass/Klavier/Saxophon), mehrere Gesangswettbewerbe, dritter Platz im Miss-Estonia-Schönheitswettbewerb.
Somit steht fest: Die Behauptungen, die Vanilla-Girls könnten keine Instrumente spielen, sind unbedachte arrogante Äusserungen. Singen können sie sowieso, legt man als Maßstab die Erfordernisse der Pop-Musik an. Was sie dabei auf ihren Konzerten und CDs machen, bleibt nach wie vor davon unberührt. Abschließend kann zu "Vanilla Ninja" gesagt werden, dass, legt man das, was über sie an verschiedenen Stellen geschrieben worden ist, zugrunde, die Band ein Kunstprodukt ist, das ins Leben gerufen worden ist, um Kasse zu machen.
Und zwar sehr geschickt (sieht man von den aufgeflogenen Chart-Betrügereien ab), denn Erfolg war dieser Kreation durchaus beschieden. Im Übrigen haben die Konsumenten dieses Produkts auch einen gewissen Gegenwert für ihr Geld, das sie den Produktionsfirmen in den Rachen geworfen haben, erhalten - keiner hat sie zum Konsum gezwungen außer sie sich selbst, meist infolge unreflektierter Wunschvorstellungen - ein Feld, auf dem sich Marketingstrategen nun mal bestens auskennen. Und solange sie nicht massenhaft ihr Konsumverhalten ändern, wird auch die Musikindustrie immer wieder Abzockaktionen mit Erfolg durchführen können.
Ach ja, ohne die Attraktivität der Ninja-Girls wäre das Projekt wahrscheinlich ohnehin gefloppt. Line-Up: Katrin Siska (Keyboards), Piret Järvis (Gitarre), Lenna Kuurmaa (Gesang, Gitarre)
Ex-Ninjas: Maarja Kivi (Gesang, Bass), Triinu Kivilaan