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Das Streben nach Wahrheit


Westernhagen veröffentlicht "Williamsburg" (23.10.)

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Das Streben nach Wahrheit

Westernhagen veröffentlicht "Williamsburg" (23.10.)

16.10.2009 Mit "Williamsburg" hat Marius Müller-Westernhagen ein Studioalbum aufgenommen, mit dem der Sänger und Entertainer vier Jahre nach seinem letzten regulären Werk "Nahaufnahme" zu seinen musikalischen Ursprüngen zurückkehrt: zu amerikanischer Roots Music und Rock'n'Roll. Aufgenommen in New York, mit erstklassigen Studiomusikern an seiner Seite, zeigt sich der 60-Jährige so ehrlich, direkt und persönlich wie lange nicht mehr.

Weder Bluegrass, Blues noch Country-Music sind in Deutschland erfolgreich. Der kommerzielle Erfolg scheint Ihnen egal zu sein. Ist "Williamsburg" ein privates Spaßprojekt?

Westernhagen - N

Westernhagen: Kommerz war mir immer egal und wird mir auch immer egal sein. Wenn du den Anspruch hast, etwas substanziell Künstlerisches zu machen, dann musst du dir eine gewisse Naivität bewahren. Die Tür zum Kinderzimmer muss immer einen Spalt offen bleiben. Du darfst nicht mit Kalkül arbeiten, denn in dem Augenblick ist alles fremdbestimmt. Wenn du dir schon beim Machen vorstellst, wem du das verkaufen kannst, ist das der falsche Weg.

Aber auch Kunst ist ein Geschäft ...

Westernhagen: Es ist schizophren, weil Kunst, ob Malerei oder Musik, vermarktet wird. Doch der Prozess des Schaffens muss jungfräulich sein. Wenn du ein Album fertig hast, musst du damit leben, wenn die Leute es ablehnen. Einen Satz, den ich überhaupt nicht vertragen kann, ist: Das geht nicht, das haben wir noch niemals so gemacht. Und diesen Satz hörst in dieser Branche ununterbrochen. Obwohl es hier um Kreativität geht.

Und um Innovation, oder?

Westernhagen - K

Westernhagen: Absolut. Darunter leidet die Industrie. Musik heute ist oft seelenlos. Sie ist ausgedacht, ist nicht empfunden. Für mich ist Musik eine Kunstform, die am ehesten zur Seele spricht. Und du kannst über Emotion eine intellektuelle Botschaft transportieren. Musik kann keine gesellschaftlichen Veränderungen hervorrufen, aber sie kann Soundtrack sein, kann helfen.

Sie haben zu "Williamsburg" mit amerikanischen Gitarrenlegenden wie Peter Strout und Larry Campbell gespielt, die bereits mit Emmylou Harris, Sheryl Crow und Peter Green gearbeitet haben. Worin liegt der Unterschied zu deutschen Musikern?

Westernhagen: Die Qualität der Musik, obwohl die so aus der Hüfte gespielt ist. Das macht im Endeffekt den Klang aus, dass es so unangestrengt klingt. Es hat auch unheimlich Druck, aber es klingt nicht gewollt. Und sie geben nie an mit ihrem Spiel. Da hat es keiner nötig zu zeigen, was er alles drauf hat. Meine Bedenken waren umsonst. Alles war ganz natürlich.

Ein Stück trägt den plakativen Titel "Wir haben die Schnauze voll". An wen ist das adressiert?

Westernhagen: Wir haben im Augenblick keine Parteien oder Politiker, bei denen du auch nur im Ansatz eine Vision erkennen kannst. Ich wusste bei der aktuellen Bundestagswahl nicht, was ich wählen sollte. Du kannst eigentlich nur noch eine Gewichtung stützen. Dass nicht die eine Partei zu sehr verschwindet und die andere zu sehr dominiert. Die Deutschen sind in 16 Jahren Kohl-Regierung mit System entpolitisiert worden. Zu meiner Zeit war die Jugend gesellschaftlich und politisch interessiert. Heute ist sie nur noch an sich selbst interessiert. Es ist eine Egogesellschaft geschaffen worden. Und wenn du kein Interesse mehr an der Gesellschaft hast und auch nicht mehr weißt, wie eine Gesellschaft funktioniert, bist du entpolitisiert. Dann funktioniert Medienpolitik. Wir haben hier nichts anderes als Medienpolitik.

Das Erfolgsrezept eines Künstlers basiert darauf, dass er auf der Bühne als Identifikationsfigur für völlig verschiedene Menschen herhält. Früher waren sie "Theo", der sympathische Einzelgänger, der gegen Windmühlen und den Rest der Welt kämpft. Was glauben Sie, sehen Ihre Fans heute in Ihnen?

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Westernhagen: Ich habe mich oft gefragt, ob es ein Fehler war, diesen Film zu drehen. Meiner Karriere als Schauspieler hat er eher geschadet als genutzt. Auf der einen Seite war ich anscheinend glaubwürdig. Auf der anderen Seite aber war der Film eine Milieustudie, so wie die Alben "Pfefferminz", "Sekt oder Selters" und "Stinker". Im Film wie in der Musik war ich bald auf eine bestimmte Rolle festgelegt. Das habe ich Gott sei Dank irgendwann gemerkt und gedacht: 'Oha, du wirst konsumierbar, das musst du ändern!' Und dann kamen "Das Herz eines Boxers" und die Premiere von "Der Mann auf der Mauer". Die Leute im Publikum dachten: Ah, jetzt kommt der Westernhagen - jetzt gibt es was zu lachen! Aber dann kam etwas ganz anderes. Ich wollte als Schauspieler nicht für alle Zeit auf Komödie festgelegt sein.

Kaum ein deutscher Künstler polarisiert so stark wie Sie. Sie werden mit der gleichen Leidenschaft von vielen geliebt, wie Sie von vielen anderen als unsympathisch empfunden werden. Haben Sie eine Erklärung, woran das liegt?

Westernhagen: Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, das ist, was Kunst erreichen sollte. Ich finde Beliebigkeit fürchterlich, wenn jeder sagen kann: Das ist aber nett! (lacht) Da ist es mir lieber, wenn einer sagt, es sei grandios und ein anderer lehnt es total ab. Dann weiß ich wenigstens, dass ich beide Gruppen berührt habe.

Eines ihrer Alben heißt "In den Wahnsinn". Was treibt Marius Müller-Westernhagen im Alltag in den Wahnsinn?

Westernhagen: So richtig auf die Palme? Zum Beispiel wenn sich jemand bei der Arbeit nicht konzentriert, macht mich das wahnsinnig. Da bin ich sehr sensibel, muss ich ganz ehrlich zugeben. Ich will dann etwas erreichen. Und wenn einer schläft, macht mich das sauer. Aber es dauert eine Weile, bis ich mal explodiere.

Sie waren mit Ihrer Musik in den vielen Jahren mehr als 150 Wochen in den deutschen Charts. Was treibt Sie heute noch an? Sie könnten es sich doch auf Ihrem Berg in Umbrien mit Ihrer Familie gemütlich machen ...

Westernhagen: Ohne Musik, ohne Schreiben kann ich das Leben nicht genießen. Solange ich glaube, ich kann noch Türen öffnen und mich meinem Ideal weiter nähern, kann ich vielleicht noch bessere Platten machen. Solange werde ich mit großer Leidenschaft Musik machen. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, zu leben, ohne zu schreiben. Meine größte Leidenschaft ist es, Platten aufzunehmen. Ich stehe auch wahnsinnig gerne auf der Bühne, Konzerte leben immer von der Magie des Moments. Man lernt erst im Laufe der Zeit, dass es nicht um Perfektion geht, sondern nur um Wahrheit. ~ Stefan Woldach (teleschau)


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Mit "Williamsburg" hat Marius Müller-Westernhagen ein Studioalbum aufgenommen, mit dem der Sänger und Entertainer vier Jahre nach seinem letzten regulären Werk "Nahaufnahme" zu seinen musikalischen Ursprüngen zurückkehrt: zu amerikanischer Roots Music und Rock'n'Roll. Aufgenommen in New York, mit erstklassigen Studiomusikern an seiner Seite, zeigt sich der 60-Jährige so ehrlich, direkt und persönlich wie lange nicht mehr. mehr »


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