Ganz allein, ganz nackt
Songwriterin Anna Ternheim lässt auf "Leaving On A Mayday" tief in ihre Seele blicken
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Ganz allein, ganz nackt
Songwriterin Anna Ternheim lässt auf "Leaving On A Mayday" tief in ihre Seele blicken
13.02.2009 Sie beherrscht mehrere Instrumente, singt elfengleich und schreibt wundervolle Songs mit Soundtrack-Qualität. Die Lieder der schüchternen Schwedin sind voller Tiefe, Dramatik und Intensität, mit skandinavischer Kühle, faszinierender Klarheit und berauschender Weite, die einem das Herz öffnen kann. Für ihr drittes Album "Leaving On A Mayday" arbeitete die kühle Blonde mit Produzent Björn Yttling (Peter Björn And John) zusammen und zeigt sich geradezu nackt, mit leisen Liedern voll entwaffnender Offenheit und bemerkenswerter Ehrlichkeit.
teleschau - der mediendienst: Du siehst blendend aus, giltst als überdurchschnittlich intelligent und machst bezaubernde Musik. Warum steckst Du eigentlich immer noch in der Schublade "Geheimtipps und Verkannte"?
Anna Ternheim: Weiß nicht? Ich bekomme viele nette Komplimente, aber das ist auch mit einer Menge Druck verbunden. Shit! (lacht) Warum ich kein Star bin? Nun, vielleicht trage ich einfach zu blöde Klamotten auf der Bühne? (lacht) Vielleicht ist auch das Artwork meiner CDs zu schräg.
Stimmt, das Cover Deines neuen Albums "Leaving On A Mayday" erinnert an die surreale, geheimnisvolle Bildsprache eines Tim Burton.
Ternheim: Ja, genau. Das Artwork ist von Helena Blomqvist, einer Künstlerin, die in New York lebt. Ich hatte ihre Ausstellung "The Dark Planet" gesehen und war sofort fasziniert. Ich fand, ihr Stil, ihre Atmosphäre passen perfekt zu meiner Musik. Ich rief sie an, und wir hatten schnell eine gemeinsame Basis mit unserer Liebe zu Fantasy-Filmen und Tieren. Daher auch das Cover mit dem Schimpansen auf dem Dach.
Es gibt im Booklet mehrere Motive, die den Affen in nachdenklichen, sehr menschlichen Posen zeigen.
Ternheim: Stimmt. Ich mag es, wenn man verschiedene Ebenen in ein Bild hineininterpretieren kann. Affen sind großartig. Uns unterscheidet, glaube ich, nur ein einziges Gen. Und ich bin mir manchmal nicht sicher, ob wir oder die Affen das gute oder das schlechte Gen abbekommen haben.
Bist Du so nachdenklich und schüchtern wie Deine Musik wirkt?
Ternheim: Ja und Nein. Manchmal passt der Eindruck, den andere von mir haben, gar nicht. Meine Musik vermittelt nicht das gesamte Bild von mir, denn es gibt Seiten von mir, die ich ganz bewusst nicht in der Öffentlichkeit zeigen will. Ich bin sozusagen ein Mensch mit zwei Persönlichkeiten, mit zwei recht gegensätzlichen Seiten.
Mit der öffentlichen Seite, die Du in Liebesliedern wie 'Terrified' präsentierst, zeigst Du Dich textlich entwaffnend intim und offen. Hast Du keine Bedenken, Dich so verletzlich zu machen?
Ternheim: Doch sicher. Aber das ist mitunter seltsam. Wenn ich erst auf der Bühne stehe, vergesse ich allmählich, dass ich mich fast ganz entblättere, bis ich förmlich nackt dastehe. Ich bin immer wahnsinnig nervös, dass es fast mein Herz zerreißt. Aber irgendwann setzt auch eine schöne, beruhigende Taubheit ein, die meine Angst lindert.
Andererseits giltst Du auch als selbstbewusste und zielgerichtete Frau und Künstlerin, die Ihre Interessen sehr offensiv vertritt.
Ternheim: In mancher Hinsicht bin ich das. Wenn ich meinen Kopf durchsetzen will, bin ich echt unerträglich! Wenn ich etwas will, will ich das! (lacht) Ich kann aber auch sehr ängstlich sein, wenn ich fremden Menschen begegne. Vermutlich wenn es Situationen sind, die ich nicht unter Kontrolle habe. Mein Gott, was sage ich hier? Ich glaube so etwas habe ich noch nie in einem Interview zugegeben.
Ist es einfach, mit Dir im Studio zu arbeiten?
Ternheim: Ich kann eine ganz schöne Zicke sein. Auf der anderen Seite kann man aber auch 'ne Menge Spaß mit mir haben. Hängt vermutlich davon ab, wen du fragst. An einem neuen Album zu arbeiten, macht Spaß. Die Zeit fliegt dahin, aber ich bin oft nicht eher zufrieden als ich ein gutes Gefühl habe. Aber manchmal ist es gut, Menschen zu haben, die einem sagen, wann es genug ist.
Wie zum Beispiel Dein Produzent Björn Yttling, mit dem Du zu diesem Album einen neuen Weg eingeschlagen hast. Im Vergleich zu "Separation Road" stehen diesmal Stimme und Text im Vordergrund, wirkt alles sparsamer.
Ternheim: Genau das war die Idee. Nach der Tour zum letzten Album konnte ich meine eigenen Songs nicht mehr ertragen. Ich wollte etwas anderes machen. Das letzte Album war von meiner Band und von großen Arrangements geprägt. Ich toure gerne so, bin aber auch gern allein als Songwriterin unterwegs. So schreibe ich auch Musik - allein. Dabei ist mir nach und nach klar geworden, dass ich die Leute so am direktesten erreiche: mit einfacher Musik und persönlichen Texten.
Empfindest Du es als Wagnis nach zwei erfolgreichen Alben Dein Konzept zu ändern?
Ternheim: Ja, aber ich hätte dieses Album trotzdem nicht anders machen können. Musik lässt dir keine Wahl. Auch mein Debüt damals hätte ich nicht anders machen können. Ich hatte einige Songs über einen langen Zeitraum geschrieben und die mussten raus. Dann die Arbeit mit anderen Musikern und in anderen Studios zum zweiten Album, wo es Momente gab, die man wohl als "magisch" beschreibt. All das hätte ich für "Leaving On A Mayday" sowieso nicht wiederholen können. Und mit dem Bestreben, mich weiter zu entwickeln, ist jedes Album neu und anders für mich.
Obwohl Du am Ende natürlich immer nur Du selbst sein kannst.
Ternheim: Natürlich, aber neue Songs sind wie neue Kleider, neues Make Up, wie eine Perücke, Hüte oder Schuhe. Es macht mir Spaß, mich zu verkleiden.
Ist das kein Widerspruch zur Ehrlichkeit, die Du in persönlichen Songs wie 'My Heart Still Beats For You' ausstrahlst?
Ternheim: Nein, das sind verschiedene Ebenen. Als mir dieser Text förmlich aufs Papier fiel und ich ihn aufschrieb, war ich in dieser wehmütigen Gemütsverfassung und musste diese Geschichte loswerden. Solche Gefühle, solchen Schmerz rauszulassen und öffentlich zu machen ist der intimste Teil meines Songwritings. Das kommt direkt aus dem Bauch. Die zweite Ebene wäre die Aufnahme, und der Spaß, diese Intention mit anderen Musikern zu illustrieren. Das ist wieder eine andere Welt. Und schließlich die Ebene, den Song zu performen, ihn den Leuten da draußen vorzustellen. Jede Ebene ist von Ehrlichkeit geprägt. Anders könnte ich nicht Musik machen.
Du hast über Dein letztes Album gesagt, es sei wie ein schwarzer, glänzender, schwerer Stein. Welche Assoziationen hast Du zu "Leaving On A Mayday"?
Ternheim: Jeder wird sicher seine eigenen Interpretationen entwickeln, aber im Vergleich zu "Separation Road" ist dieses Album für mich wie eine weiße, zerzauste, leichte Feder. ~ Stefan Woldach (teleschau)
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