Ben Folds

Pop ohne Wegwerfzeilen


Ben Folds über sein Album mit dem englischen Star-Schriftsteller Nick Hornby

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Pop ohne Wegwerfzeilen

Ben Folds über sein Album mit dem englischen Star-Schriftsteller Nick Hornby

24.09.2010 Der Amerikaner Ben Folds wurde Mitte der 90-er mit seiner Band Ben Folds Five bekannt. Viele halten den 44-Jährigen für einen der besten Songwriter seiner Generation. 2004 wurde er gebeten, die Musik für das Album "Has Been" von William Shatner alias Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise zu schreiben. Seit diesem Werk ist Ben Folds mit dem englischen Schriftsteller Nick Hornby ("High Fidelity", "About A Boy") befreundet. Folds fragte Hornby damals als zusätzlichen Texter an. Seitdem ist der eine Fan des anderen. Nun hat diese Freundschaft zu "Lonely Avenue", einem sehr empfehlenswerten neuen Album, geführt. Nick Hornby schrieb sämtliche Texte, Ben Folds machte Musik dazu. Im Interview spricht Folds über Hornbys ungewöhnliches Songschreibertalent, unerwartete Gemeinsamkeiten zwischen Männern aus England und den amerikanischen Südstaaten sowie über die hohe Kunst des Popsongs an sich.

Nick Hornby und Sie wurden Freunde während des William-Shatner-Projektes. Sie blieben in Kontakt, aber Sie planten nicht sofort dieses gemeinsame Album?

Ben Folds - U

Ben Folds: Nein, wir planten das nicht. Aber - ich habe nicht so viele Freunde oder Gleichgesinnte in der Kunst. Ich habe Freunde anderswo, aber meistens macht man Musik mit den Leuten, die man irgendwie kennt. Mit Nick ist es etwas Anderes, er ist tatsächlich ein Gleichgesinnter. Die Art, wie er schreibt, wie er seine Kunst ausübt, ist meiner Arbeitsweise ziemlich ähnlich. Außerdem haben wir ein ähnliches Temperament. Wir müssen gar nicht so viel kommunizieren, um uns zu verstehen. Eine E-Mail alle sechs Monate reicht. Und wenn ich in der Stadt bin, kommt er zum Konzert, und wir trinken ein Bier zusammen ...

Sie sagen, dass Sie beide etwas verbindet. Können Sie das genauer beschreiben?

Folds: Jeder, der seine Bücher und meine Musik kennt, wird nicht sehr überrascht sein, dass wir ein Album zusammen machen. Wenn ich es beschreiben müsste, würde ich sagen: Wir sind beide zwanglos und locker in der Art, wie wir reden - ich spreche jetzt von seinem und meinem lyrischen Ich. Wir haben beide Spaß daran, uns andere Charaktere zu erschließen. Charaktere, die große Momente der Schwäche und Verwundbarkeit erleben. Für einen Musiker ist das ungewöhnlicher als für einen Schriftsteller, weil Musiker sich naturgemäß mehr als Vorbilder, als Idole verkaufen müssen. Ich habe in meinen Texten nie Lust dazu gehabt, so jemand zu sein. Meine Helden scheitern, sie sind zumindest nicht perfekt. Nicks Charaktere sind ähnlich.

Gibt es auch andere Gemeinsamkeiten?

Ben Folds - F

Folds: Er ist Engländer, und ich bin aus dem Süden der USA, das ist ein großer Unterschied, wir sind sehr unterschiedlich aufgewachsen. Obwohl der Süden der USA auch bestimmte Traditionen bereithält, in denen sich ein britisches Erbe recht gut gehalten hat. Man denkt immer, die aus dem Süden sind alle Rednecks, aber tatsächlich sind einige alte englische Traditionen dort noch sehr präsent. Wenn ich daran denke, wie meine Mutter das Wort "home" ausspricht - wie ein Engländer -, oder wenn ich auch an bestimmte Tischsitten denke. Eine gewisse Höflichkeit hat sich auch im Süden länger gehalten als anderswo in den USA. Man kann das als etwas bemüht empfinden, aber das sind schon Dinge, die uns einem Briten ähnlicher machen als Amerikaner, die zum Beispiel aus dem Mittleren Westen kommen.

Wie haben Sie gearbeitet? Waren die Texte von Nick Hornby zuerst da?

Folds: Für den Hörer wäre es eine sehr interessante Herangehensweise an dieses Album, sich die Texte zuerst durchzulesen und dann zu überlegen, welche Art von Musik dazu passen könnte. So habe ich das gemacht, als ich ein Kind war. Ich bekam die Hornby-Texte als E-Mail und fand in der Regel ziemlich schnell eine Melodie dazu.

Es gab also keine Vorschläge von Nick Hornby? Dass er zum Beispiel sagte: Für diesen Text stelle ich mir eine Ballade vor oder ein spätes Sixties-Stück im Stile der Beach Boys?

Folds: Nein, so etwas gab es nicht. Ich denke, das Wichtigste war, die Charaktere der Hornby-Figuren in Musik zu übersetzen. Einmal fragte ich ihn, ob er das Lied über den Songwriter Doc Pomus im Stil von dessen Musik haben wollte - mit dem hatte ich mich nämlich vorher nie beschäftigt. Und er sagte nur: "Nein, ich glaube nicht." Also schrieb ich einfach diesen Song, ohne mir die Sachen von Doc Pomus anzuhören. Es gibt einen Song "Practical Amanda", den hatte er schneller erwartet, aber er sagte mir das nicht. Er gab mir nur den Song und erzählte mir später, dass sich der Text für ihn danach anhörte, dass es ein schneller Song werden würde. Ich aber habe etwas Langsames daraus gemacht, weil ich das bedeutsamer empfand.

Und dann haben Sie sich ans Klavier gesetzt und über Melodien nachgedacht. Wie haben Sie Ihre Arbeit begonnen?

Ben Folds - T

Folds: Meistens ging es in meinem Kopf los. Manchmal griff ich mir den Spielzeugbass, der hinter meinen Schreibtisch in meinem Haus steht. Dann ging ich ins Bett und hoffte, dass ich mich an bestimmte Dinge am nächsten Morgen erinnere und dass sie gut sein würden. Meistens klappte das, und ich ging morgens ins Studio, um etwas aufzunehmen. Viele Dinge habe ich mir abends zwischen sechs und sieben ausgedacht - danach gab es Abendessen, ein Bad und ab ins Bett. Morgens nahm ich die Sachen dann auf.

War es einfach für Sie, einen bestimmten Musikstil für den jeweiligen Hornby-Text auszuwählen? Welche Elemente eines Textes führen dazu, dass Sie daraus eine Ballade oder ein psychedelisches Rockstück machten?

Folds: Die Texte gaben mir sehr starke Charaktere vor. Die Charaktere bestimmten die Persönlichkeit und Lebenskraft der Melodie. Da hatte ich überhaupt keine Wahl, für mich war das eine klare Vorgabe. Ich bin kein Mensch der Worte, ich bin ein sehr musikalisch denkender Mensch. Wenn ich in ein Land fliege und aus dem Flugzeug steige, dann kommen Songs in mir hoch - keine Worte, die nach diesem Land klingen. Die Melodien ergaben sich sehr klar für mich. Anders war es mit dem Stil des Songs. Die Melodie bedeutet sehr viel mehr, sie ist der Charakter eines Songs. Der Stil ist eher wie ein Pullover oder eine Mütze. Ein bisschen Make-up. Eine Melodie kannst du als Polka spielen, im Discostil oder als Countrysong. Sie muss nicht in einem bestimmten Stil sein.

Jeder kennt Nick Hornby als berühmten Schriftsteller. Haben Sie Unterschiede festgestellt zwischen seiner Art, Songtexte zu schreiben und der Art, wie es ein reiner Songwriter machen würde?

Folds: Die Texte sind einzigartig - in mehrerer Hinsicht. Es gibt keine Wegwerfzeilen in ihnen. Wenn man einen Song hört, ob er jetzt von den Beatles oder Sufjan Stevens stammt, dann gibt es darin immer Wegwerfzeilen. Stevie Wonder? Wegwerfzeilen! Das liegt daran, dass diese Leute ihre Musik rüberbringen wollen. Manchmal klingt eine Zeile im Song erst dann bedeutsam, wenn man ihr eine absolut unwichtige Zeile vorausschickt. Das nennt man Betonung. Musikalisch betrachtet ist es ziemlich schwierig, einen Song zu schreiben, wenn jede Zeile des Textes etwas bedeutet. In Nicks Arbeit ist es so, und ich musste viel Zeit darauf verwenden, an welcher Stelle ich Betonungen setze. Das ist ungewöhnlich und auch die Tatsache, dass alle Songs kleine Kurzgeschichten sind. Wenn ich Leuten dieses Album vorspiele, bemerke ich, dass sie ziemlich an den Storys hängen.

Weil Nick Hornby sie geschrieben hat?

Folds: Nicht nur, sondern einfach, weil sie die Geschichte mitbekommen wollen. Bei Songwritern steht die Musik mehr im Mittelpunkt. Die Texte können gut sein, aber letztendlich geht es um die Musik. Jeff Buckley war einer meiner Lieblings-Songwriter. Manchmal schrieb er gute Texte, manchmal schrieb er Schrott. Aber selbst der Schrott bedeutete viel, weil er diese Zeilen mit seiner wunderbaren Stimme bedeutungsvoll gesungen hat. Es gibt schreckliche Zeilen in Stevie-Wonder-Songs, die toll sind wegen der Musik. Bei Nicks Texten - nimm ihnen die Musik weg und es bleiben Kunstwerke, die auch alleine für sich stehen können.

Wenn jede Zeile bedeutsam ist, heißt das nicht auch, dass die Musik dazu ziemlich fein ausgearbeitet werden muss?

Folds: Manchmal heißt das, dass die Musik ziemlich einfach zu sein hat. Dass sie Platz schaffen muss. Der Wegwerf-Teil muss dann zwischen den Zeilen liegen. Manchmal ist es aber auch ganz anders. Da würde der Text seine Dynamik verlieren, wenn ich mit der Musik nicht hinterherkäme. Der Song "Belinda" war in dieser Hinsicht sehr schwierig, auch wenn ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis bin. Die erste Schwierigkeit war: Der Song handelt von einem großen Hit aus den frühen Siebzigern, und dieser Song wird in meinem Song zitiert. Ich musste also einen Song zitieren, den es niemals gab, und er musste sich nach einem Riesenhit anhören. Zudem wird der Refrain dieses Hits in der Strophe meines Songs angesungen, und ich musste ja auch noch einen eigenen Refrain für das Lied finden - also das war alles ganz schön schwierig, aber ich habe es geschafft.

Könnten Sie sich vorstellen, so etwas noch einmal zu machen? Vielleicht sogar mit Nick Hornby oder einem anderen Künstler?

Folds: Es war so einfach und brachte ein so gutes Ergebnis, dass ich sagen würde: Ich mache das gern wieder und wieder. Nick würde es gern wieder machen. Wenn wir Zeit haben, werden wir es tun. Sollten wir aus irgendwelchen Gründen zu anderen Projekten weiterziehen und es wird nichts daraus, ist das auch okay. Aber ich denke, wir werden das wieder tun. ~ Eric Leimann (teleschau)


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