Hoffnung, Erlösung, Vergebung, Segen
Killers-Kopf Brandon Flowers versucht's alleine - und will auf "Flamingo" vieles erzählen
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Hoffnung, Erlösung, Vergebung, Segen
Killers-Kopf Brandon Flowers versucht's alleine - und will auf "Flamingo" vieles erzählen
14.09.2010 Es sind dicke Mauern, die Brandon Flowers an diesem Montag umgeben. "Rocco Forte" heißt das herrschaftliche Hotel unweit der Berliner Prachtmeile Unter den Linden, in dem der Killers-Sänger logiert. So dick, wie die Mauern sind, so schwer sind die Vorhänge, die Teppichböden, die Fenster - sogar die Kaffee-Pad-Maschine, die in einer Ecke des Raumes ihren Dienst tut, wirkt aufgeblasen und überdimensioniert. Der schmale, dunkel gekleidete Flowers, der ohnehin einer ist, der sich im Zweifel zurückhält, wirkt hier verloren. Fast geschrumpft. Nervös tanzen seine Augen durch den Raum. Es dauert drei, vier Minuten, bis er alles erfasst hat, bis er ganz bei sich ist und sich konzentriert dem Gespräch über sein erstes Soloalbum "Flamingo" widmet.
Du hast "Flamingo" nach einem Casino benannt - genau wie das zweite Killers-Album "Sam's Town". Absicht?
Brandon Flowers: Natürlich. Beide Läden liegen in der gleichen Straße - "Sam's Town" nahmen wir dort auch auf. Es ist ein Eck von Las Vegas, das mir sehr viel bedeutet. Ich habe dort in mehreren Läden gearbeitet - es war sozusagen meine Straße. Dort sollten diese Songs stattfinden.
Die beiden Platten sind also verwandt?
Brandon Flowers: Vielleicht. Als wir vor vier Jahren "Sam's Town" veröffentlichten, waren die Kritiken in den USA ziemlich mies, was mich sehr enttäuschte. Wir sind stolz auf alles, was wir als Killers aufnahmen, aber "Sam's Town" ist für uns alle eine Lieblingsplatte. Lieder wie "When You Were Young" oder "Read My Mind" mögen wir einfach. Und wir merken bei unseren Konzerten immer, dass es unseren Anhängern ähnlich geht. "Day & Age" war dann eine Reaktion darauf - aber "Sam's Town" ist tatsächlich das Album, an das ich mit "Flamingo" anknüpfen möchte.
Was war die Ausgangsposition der Platte? Gab es einen Moment, an dem klar wurde, dass es kein neues Killers-Album würde?
Flowers: Ich denke, das war früh klar. Man merkte einfach, dass es noch nicht an der Zeit war. Die meisten dieser Stücke entstanden, während wir mit "Day & Age" tourten. Meine Vorstellung war eigentlich, an "Day & Age" und vor allem "Human", von dem ich sehr begeistert war, anzuknüpfen. Ich dachte, ich würde wieder mit Stuart Price, der das produzierte, ins Studio gehen.
Wo war der Haken?
Flowers: Die Songs, die ich schrieb, eigneten sich einfach nicht für so eine Platte. Ich versuchte, so zu schreiben - aber es funktionierte nicht. Was herauskam, waren Songs, die organisch waren, die eher durch Rootsrock- als Pop-Elemente geprägt waren.
Kam da der zweite Produzent, Rock-Legende Daniel Lanois (U2, Bob Dylan, d. Red.), ins Spiel?
Flowers: Genau. Und am Anfang dachte ich, das würde überhaupt nicht funktionieren. Es war etwas hässlich, aber irgendwann waren beide bereit, dem anderen zu vertrauen und Freiräume zuzugestehen. Irgendwann wurde es zu einer guten Kollaboration, weil beide Sachen ausprobierten, die sie sonst nicht gemacht hätten.
Lanois' Gitarrenarbeit passt gut zu Deinen Texten. Du versuchst, mehr zu erzählen ...
Flowers: Ich denke, ich kann mich besser und vielleicht eine Spur subtiler als früher artikulieren. Das ist ein ganz natürlicher Prozess, der mir aber sehr wichtig ist. Ich lese mehr als früher - immer noch nicht genug, weil ich nur wenig Zeit hatte, aber als Jugendlicher hatte ich fast nie ein Buch in der Hand. Jetzt stelle ich fest: Wenn ich lese, öffnen sich Türen in meinem Kopf. Ich kann dann viel leichter Texte schreiben. Und ich höre viel Musik - etwa die Songwriter der 70er-Jahre, die auf einem Level agierten, das einfach deutlich höher war als das heutige. Auch einen guten Film sehen, kann am Ende zu einer tollen Textzeile führen.
Eine zentrale Rolle spielt in Deinen Songs immer noch der Strip, die Hauptstraße und Amüsiermeile von Las Vegas. Welche Rolle spielte diese Seite von Las Vegas in Deiner Kindheit?
Flowers: Eine sehr große. Das hat einmal geografische Gründe. Las Vegas ist ein Becken. In der Mitte ist Downtown mit dem Strip, an den Hängen sind East- und Westside. Wir lebten, als ich ein Kind war, etwa 30 Kilometer von der Innenstadt entfernt in der Eastside. Und weil Las Vegas ein Becken ist, konnte man aus unserem Vorgarten die Casinos sehen. Jeden Abend leuchteten die Reklamen: Das "Mirage", das "Luxor", wie sie alle hießen - wenn ich die Haustür öffnete, sah ich sie. Wenn es einmal bewölkt war, was in Las Vegas recht selten ist, reflektierten sich die Farben dieser Leuchtreklamen im Himmel. Ein wunderbares Farbenspiel.
Du entstammst einer Mormonen-Familie. Was war der Strip für Euch? Sünde oder Vergnügen?
Flowers (lacht): Ganz so war es nicht. Wenn Freunde oder Familienmitglieder zu Besuch waren, sind wir dort immer hingefahren. Wir haben dann in den Restaurants der Casinos gegessen, was ich heute noch sehr gerne tue.
Irgendwann hast Du angefangen, dort zu arbeiten ...
Flowers: Ja, mit 18 Jahren heuerte ich im "Caesars Palace" an, später wechselte ich ins "Aladdin". Irgendwann war ich beim "Gold Coast" als Türsteher angestellt - und spätestens ab dem Moment hing ich dort immer herum. Du bekommst Trinkgeld - und gibst das anschließend in den Clubs und Bars der Stadt wieder aus. Das ist der Kreislauf. Wäre nicht die Karriere mit den Killers dazwischengekommen, sähe mein Leben vermutlich immer noch so aus. Wer einmal dort als Kellner arbeitet, bleibt so lange da, bis er nicht mehr laufen kann. Es sind gute Jobs, von denen viele über Beziehungen vermittelt werden. Und da meine Familie schon lange in Las Vegas lebt und viele Leute kennt, die dort arbeiten, hätte ich sicher einen davon angenommen.
Neben dem Glücksspiel sind Hochzeiten eines der wichtigsten Standbeine von Las Vegas. Du bist ein sehr religiöser Mensch. Was hältst Du von Drive-Thru-Kapellen und als Elvis verkleidete Standesbeamte?
Flowers: Drücken wir es mal so aus: Für mich hat Heiraten eine Bedeutung, der so eine Hochzeit nicht unbedingt angemessen ist. Aber ich bin mir sehr sicher, dass es Leute gibt, die sich von einem Elvis-Doppelgänger trauen lassen und dennoch eine lange und erfüllte Ehe führen. Weißt Du, ich glaube, man darf das nicht so eng sehen. Die Hochzeit ist nicht nur ein kirchlicher Akt, sondern auch ein sehr weltlicher. Manche haben's eben gerne bunt. Und wir in Las Vegas stellen das gerne zur Verfügung (lacht).
Mit "Magdalena" hast Du einen Song auf dem Album, der sehr religiös wirkt. Um was geht's da?
Flowers: Es gibt in einer kleinen Stadt in Mexiko eine Wallfahrt. Sie findet jedes Jahr am 4. Oktober statt. Die Gläubigen laufen eine Strecke von 60 Kilometern - und all ihre Angehörigen sind dabei, stehen am Straßenrand, feuern sie an und verpflegen sie. Es ist wie ein Marathon - aber sehr spirituell. Es geht um Hoffnung, um Erlösung, um Vergebung und Segen. Das sind Themengebiete, mit denen sich jeder Mensch auf dieser Welt auseinandersetzt. Ich glaube, es ist einer der besten Texte, die ich jemals geschrieben habe. Ich bin wirklich stolz auf diesen Song.
Brandon Flowers auf Deutschland-Tournee
26.09., Köln, E-Werk
01.10., Berlin, Huxleys Neue Welt ~ Jochen Overbeck (teleschau)
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