Die Fantastischen Vier

Keine Beschwerdelyrik, bitte!


Die Fantastischen Vier feiern ihren 20. Geburtstag

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Keine Beschwerdelyrik, bitte!

Die Fantastischen Vier feiern ihren 20. Geburtstag

23.07.2009 Sie sind eine Institution in der deutschen Popmusik. Für manche Fans sogar eine Autorität. Und selbst die größten Nörgler werden einräumen müssen, dass die Fantastischen Vier den Musikstil HipHop in Deutschland Anfang der 90er-Jahre nicht nur entscheidend geprägt, sondern fast im Alleingang ins allgemeine Interesse gehoben haben. Als sie "Die Da!?!" sangen, merkte auch der Mainstream: Mann, auf Deutsch kann man ja rappen! 17 Jahre später haben sie alle Genregrenzen hinter sich gelassen und sind längst eine der wichtigsten deutschen Popbands. Vor allem aber feiern sie ihr 20-jähriges Jubiläum - mit einem Konzert auf dem Cannstatter Wasen am 25. Juli, zu dem 50.000 Besucher erwartet werden.

Gab es je das Bestreben, das 20-jährige Jubiläum komplett unter den Tisch fallen zu lassen?

Die Fantastischen Vier - S

Thomas D.: Eine Band, die so alt geworden ist, und dabei auf recht hohem Level immer wieder neues Material veröffentlichte, die muss sich schon feiern lassen. Klar gab's bei uns auch die Überlegung: Ist das nötig? Wie sieht das denn aus? Aber Bär (Fanta-Vier-Manager Andreas Läsker, die Red.), der die Brücke schlagen muss zwischen uns Wahnsinnigen und der Marke, die wir mittlerweile darstellen, hat uns da früh runtergeholt und gesagt, dass schon was passieren muss. Da haben wir gesagt: fettes Ding, drei Stunden. Mal gucken, wer kommt. Und jetzt sieht es aus, als ob 50.000 kommen würden. Nicht schlecht.

Dass Stuttgart Dreh- und Angelpunkt der Jubiläumsveranstaltungen ist, überrascht ein wenig. Unbelastet ist das Verhältnis zwischen Euch und Eurer Heimatstadt nicht.

Smudo: Das ist wirklich eine ganz komische Sache. Sicher gibt es Leute, die jetzt sagen, dass wir vor zehn Jahren doch so beleidigt gewesen wären, weil wir damals nicht auf dem Schlossplatz spielen durften. Und es gab auch Zeiten, in denen Konzerte in Stuttgart allerhöchstens Durchschnitt waren. Da standen die Leute eben so rum. Die Einstellung schien zu sein: Wir haben bezahlt, das sind unsere Jungs, warum sollen wir da klatschen? Dass das jetzt wieder so reinhaut, überrascht uns schon.

Ist so ein Bruch zwischen Band und Herkunftsort normal?

Die Fantastischen Vier - F

Thomas D.: Ich denke schon. Man findet uns mittlerweile aber wieder gut, wir sind Inventar. Wie Mercedes Benz, Siemens, Porsche oder der Fernsehturm.

Klingt nach einer sicheren Nummer ...

Smudo: Nein, nein. Wenn du nachlässig wirst, wenn du Scheiß machst, dann geht so etwas ganz schnell zu Ende.

Dieses Argument, dass etablierte Bands sich weniger anstrengen müssen, stimmt also nicht?

Smudo: Nein. Ebenso wenig stimmen Sätze wie: "Die können ja machen, was sie wollen, es wird eh geil." Es ist eher so: Wir wollen, dass es gut wird. Jede fertige Platte ist das Ergebnis eines sehr langen Prozesses, bei dem irgendwann die ganzen Scheißideen eben aussortiert wurden. Man muss sich die Entstehung einer Platte wie einen Baum vorstellen: Wenn man den von den einzelnen Blattspitzen nach unten geht und am Ende zum Stamm kommt, ist das logisch und sehr einfach. Wenn man aber nach oben wandert und ständig verschiedene Möglichkeiten hat, hochzugehen, ist das kompliziert. Das ist der Vorgang eines kreativen Prozesses.

Smudo: Manchmal sagen mir Leute wirklich: "Mfg" ist ja so einfach, so eine simple Sache! Ich denke mir dann: naja. Aber die Idee, die hatten wir. Und darauf kommt es an.

Die Fantastischen Vier - D

Wuchs mit den Jahren die Souveränität?

Thomas D.: Auf jeden Fall - zum Beispiel, was die Fertigstellung eines Albums angeht. Du lernst, mit dem Abgabestress umzugehen. Du weißt, dass es normal ist, dass du unter Strom stehst. Du wirst die nächsten Nächte wahrscheinlich wieder durcharbeiten. Gleichzeitig weißt du aber auch, dass das eine Hammerplatte wird. In die Aufregung mischt sich also auch eine Riesenportion Freude. Da bist du entspannt, weil du weißt, dass das, was du da im Ofen hast, geil wird. Das lernst du mit jeder Platte ein Stückchen mehr. Am Anfang hatten wir auch immer dieses "Wir schaffen's nie"-Gefühl.

Erleichtert Selbstsicherheit den Umgang miteinander?

Thomas D.: Wir sind mittlerweile einfach insgesamt nicht mehr so gestresst. Natürlich kabbeln wir uns, und natürlich sind wir nicht immer einer Meinung. Aber wir sind nicht mehr 23 Jahre alt. Wir haben gelernt, konstruktiv zu kritisieren, aber auch konstruktiv mit Kritik umzugehen. Das ist eine Lebenserfahrungssache. Eine Banderfahrungssache ist: Wir wissen auch besser, wer wo kompetent ist. Diese Beratungsresistenz, die hat nachgelassen. Wir sind ein gut eingespieltes Team. Diesen Wunsch, "warum könnt Ihr nicht alle so sein wie ich", den hat man nicht mehr. Man weiß, dass genau das langweilig wäre. Eine Band lebt davon, dass die Mitglieder verschieden ticken. Sonst kehrt irgendwann die große Langeweile ein.

Smudo: Schwankungen gibt es weniger in der Chemie untereinander als in der persönlichen Leistung, denke ich. Das ist ganz einfach eine Sache des Biorhythmus - sowohl der Band als auch der einzelnen Mitglieder. Das liegt vielleicht auch daran, dass die großen Entscheidungen im Privatleben, also Dinge wie Familiengründung, Kinder kriegen und Wohnortwechsel bei uns recht zeitnah stattfanden.

Wann kam zum ersten Mal Gelassenheit auf?

Smudo: Ich glaube, das dauerte schon sechs, sieben Jahre, bis wir merkten: Hey, wir haben alle Möglichkeiten. Wir können aufnehmen, wo und wann wir wollen. Das ist aber ein wirklicher Prozess. Bär war immer der, der früh so amerikanisches "Think big" betrieb. Der sagte: Hey, lasst uns doch ein Studio auf Jamaica nehmen und da dann aufnehmen. Wir sagten dann: Da machen wir nur Urlaub, kiffen uns zu und arbeiten nicht. Wir brauchen da unseren Kulturkreis.

Wie war das für Euch, als "Die Da!?!" durch die Decke ging?

Thomas D.: Wir dachten damals: Boah, wir haben einen Hit! Mal gucken, was passiert. Dann gab's ganz viele Engagements, dann aber auch die ersten Streitereien: Sollen wir zu Dieter Thomas Heck gehen oder nicht? Spielen wir dieses Festival oder nicht? Wir mussten schnell lernen, mit lauter verschiedenen Sachen umzugehen: mit der Publicity, mit den Medien, mit der Erwartungshaltung der Fans und der Plattenfirma. Gleichzeitig kreischende Fans in der Fußgängerzone und das Nachdenken über das neue Album - das war alles viel zu viel.

Smudo: Wir konnten plötzlich nicht mehr aus dem Haus gehen, weil entweder eine Hass- oder eine Sympathiebekundung quer über die Straße gebrüllt wurde. Und immer, wenn wir an einem Flughafen an der Sicherheitskontrolle standen, fing jemand an, "Die Da!?!" zu rappen.

Thomas D.: Das war schlimm. Innerhalb der Band herrschte als Konsequenz eineinhalb Jahre lang striktes "Die Da!?!"-Verbot. Wer es aus Versehen sagte, bekam eine symbolische Ohrfeige und musste sich sofort entschuldigen.

Wie bleibt man trotz des Erfolges gelassen?

Thomas D.: Man muss sich klar sein, dass Erfolg nichts Beständiges ist, vor allem aber etwas, das von jedem Menschen anders wahrgenommen wird. Ich kann jetzt nicht auf die Straße gehen und glauben, diese Welt kennt mich, und jeder will ein Autogramm. Das stimmt nämlich überhaupt nicht. Es mag sein, dass ich für irgendjemanden der Größte bin. Es ist aber genauso wahrscheinlich, dass ich dem Nächsten, der mir auf der Straße entgegen kommt, völlig egal bin. Das darf man nicht vergessen.

Vielen Menschen ist Eure Meinung sicherlich alles andere als egal. Bekommt Ihr eigentlich viele Zusendungen von Fans, die wollen, dass Ihr deren Werke beurteilt?

Smudo: Ja, von mir denken eigentümlicherweise manche, dass ich mich gerne mit der Sprache an sich beschäftigen würde. Ich bekomme dann Diplomarbeiten zugesandt, in denen wir zitiert und mit dem Dadaismus verglichen werden oder so. Ich kann das aber nicht lesen. Das ist nicht mein Bezug zur Sprache, der funktioniert anders. Ich kann mich eher in Gesprochenes reinversetzen. Einen bestimmten Redestil nachmachen.

Thomas D.: Ich bekomme gerne mal Gedichte, so à la "Ich schreib' auch mal meine Gefühle auf". Aber dass da was dabei ist, das einen wirklich berührt, das passiert selten. Es ist immer nur irgendwas, das sich eben reimt, wo dann Satzteile vertauscht wurden, damit's halt gerade noch so passt. Man muss das aber verstehen. Wir sprechen die Gefühle der Leute aus, das ist ja auch unser Job, dass die sich mit unseren Stücken identifizieren können. Die denken dann eben, dass es andersrum auch funktioniert.

Smudo: Oft werden auch HipHop und Gedichte verwechselt. Da sitzt dann irgendein Redakteur vor einem und versteht nicht, dass man sich nicht für Lyrik interessiert. Mann, Mann.

Thomas D.: Meistens ist es Beschwerdelyrik. Da geht es dann darum, dass der Staat es nicht richtig macht oder die Menschen es nicht richtig machen oder die Welt nicht in Ordnung ist. Und der, der das geschrieben hat, weiß dann tatsächlich, woran es liegt. Alle sollen mal ein bisschen lockerer werden oder brauchen mehr Liebe. Das ist oft 08/15-Betroffenheitskram und tatsächlich 0,0 Prozent inspirierend.

Wie reagiert man darauf, ohne die Leute zu kränken?

Thomas D.: Schwierig. Ganz schwierig. Eigentlich muss man sagen: Super. Echt super. Immer weitermachen. Du kannst kleine Kritikpunkte anbringen, aber du kannst niemanden sagen, das ist scheiße, was du da machst. Da hat auch keiner von uns das Recht dazu, denn natürlich ist es nur unsere Meinung und deshalb nicht so etwas wie die absolute Wahrheit. Ich finde das meiste scheiße, die meiste Musik. Sogar, wenn wir etwas machen, finde ich es oft nicht geil. Ein "OK" gibt es bei mir in der Wahrnehmung nicht. ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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Immer wieder Stuttgart. Die Fantastischen Vier geben ihre Interviews gerne zu Hause. Warum auch nicht, hier entstehen schließlich meistens große Teile ihrer Alben - und hier strahlen sie eine gewisse Grundlockerheit aus, die ein klassischer Interviewtag im Hotelzimmer eines seelenlosen Kettenhotels unmöglich hervorbringen kann. Über "Heimspiel" sprachen sie in der VIP-Lounge der Mercedes-Benz-Arena, über den Studio-Vorgänger "Fornika" (2007) in Kornwestheim. "Für Dich immer noch Fanta... mehr »


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