Eminem

"Ich habe nie aufgehört, zu arbeiten"


Nach der Sucht ist vor der Zukunft: Die Rückkehr des Eminem

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"Ich habe nie aufgehört, zu arbeiten"

Nach der Sucht ist vor der Zukunft: Die Rückkehr des Eminem

15.05.2009 Gute zehn Jahre ist es her, dass Eminem mit seiner "Slim Shady"-LP durchstartete - 2000 wurde er mit dem auf einem Dido-Sample basierenden "Stan" zum wohl einzigen weißen Superstar im HipHop. Es folgten drei Studioalben, ein Kinofilm ("8 Mile") und eine Greatest-Hits-Sammlung - dann zog sich Eminem zurück. Jetzt ist der für seine kontroversen Texte bekannte Rapper wieder da. "Relapse" heißt die neue, fast komplett von Dr. Dre produzierte Platte, deren zweiter Teil noch dieses Jahr folgen soll. Dass sie überhaupt erscheint, ist eine mittelgroße Überraschung - eigentlich hatte der Detroiter nach "Encore" (2004) seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit angekündigt.

Eminem, vor gut fünf Jahren erschien Deine letzte Platte - damals deutete alles darauf hin, dass Deine Laufbahn als Rapper beendet wäre. Warum jetzt "Relapse"?

Eminem - M

Eminem: Ich habe nie aufgehört, zu arbeiten. Klar, ich habe mich ein Stück weit aus dem Rampenlicht zurückgezogen, Platten gemacht, andere Künstler produziert, mit anderen Künstlern kollaboriert. Ich habe das Mixtape-Album "Re-Up" aufgenommen, mit Leuten wie T.I. zusammengearbeitet - da war schon immer was los. Dann habe ich am Albumcover gearbeitet - alleine damit war ich gute drei Monate beschäftigt. Man unterschätzt diese Dinge. Aber es dauerte auch, bis sich das alles wieder einspielte. Vor fünf Jahren wusste ich nicht, wo ich hinwollte. Ich wusste, dass Musik in meinem Leben weiterhin die Hauptrolle spielen würde, aber nicht, auf welche Art und Weise. Das haben viele Leute sozusagen als offiziellen Rücktritt wahrgenommen.

Vor allem ging es Dir nicht gut ...

Eminem: Ich war damit beschäftigt, eine sehr ernsthafte Abhängigkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu bekämpfen. Ambien, Vicodin, Valium, all das schluckte ich. Ich nahm eine Zeit lang wirklich alles, was ich bekommen konnte. Alles, von dem ich dachte, es würde mir beim Einschlafen helfen können. Ich mischte mir gewissermaßen eigene Cocktails und suchte immer wieder nach neuen Kombinationen. Das ist natürlich kompletter Irrsinn, weil es die Abhängigkeit steigert. Je mehr Pillen ich nahm, desto depressiver wurde ich. Und dagegen musste ich dann wieder Tabletten nehmen. Es ist ein Teufelskreis.

Wie schwierig war der Ausbruch aus diesem Teufelskreis?

Eminem - \"

Eminem: Als ich 2005 erstmals in Rehab war, war ich noch gar nicht bereit dafür. Mein Umfeld war sich der Tatsache bewusst, dass sich etwas ändern müsste, aber ich nicht. Und das ist der springende Punkt: Du kannst Dich nur dann von der Drogenabhängigkeit befreien, wenn Du selbst bereit dafür bist. Dem folgt dann ein sehr langwieriger Prozess sowohl physischer als auch mentaler Natur. Und als ich den durchlief, klärte sich auch wieder mein Bewusstsein auf. Ich war erst ab diesem Punkt wieder fähig, wirklich etwas zu tun, wieder zu funktionieren, wieder ein Studio zu betreten und Musik aufzunehmen, die es wert war, tatsächlich veröffentlicht zu werden.

Wirkte sich Deine Sucht auf dem Kreativprozess aus?

Eminem: Das ist sicher von Mensch zu Mensch unterschiedlich - bei mir stagnierte die Kreativität während meiner Sucht völlig. Ich schrieb die gleichen Dinge, ich rappte die gleichen Dinge, weil sich ja auch an meiner Verfassung nichts änderte. Es passierte ja nichts, was mich inspirierte, jeder Tag ähnelte dem vorhergegangenen. In den sechs, sieben Monaten, in denen ich komplett nüchtern war, schrieb ich mehr und vor allem deutlich bessere Dinge als in den vier, fünf Jahren davor. Es war schlichtweg ein Deckel auf meinem Gehirn oder so.

Hattest Du für "Relapse" einen Masterplan?

Eminem: Nein, ich hatte für die Platte keinen Masterplan. Ich wusste auch nicht, ob ich auf der Platte die Sucht thematisieren sollte. Es stand schon auch im Raum, das alles zu verheimlichen - es hatte ja außerhalb meines Umfeldes niemand so wirklich gewusst. Aber als ich in meiner Genesung fortschritt, wurde es einfacher für mich, darüber zu sprechen. Erst mit Freunden, dann in Meetings und irgendwann eben in der Öffentlichkeit. Ab da konnte ich darüber schreiben.

Der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit ist enorm ...

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Eminem: Ich hatte über diesen Erwartungsdruck eigentlich nur mit Dre gesprochen. Ihn hatte ich irgendwann vor Beginn der Aufnahmen gefragt, was er denn glaubte, was die Leute von mir erwarten würden. Und er sagte eben: Die Leute würden schon auch den alten Eminem erwarten. Den Psychopathen, den Typen, der ordentlich rumpöbelt und die Kontrolle verliert. Und tatsächlich schaffte ich es, mit fortschreitender Genesung immer mehr ich zu sein. Deshalb werden diese beiden Platten auch ein Weg zurück zu den Dingen sein, die mich Ende der 90er-Jahre berühmt machten. Ich denke schon, dass man in "Relapse" jede Menge "Slim Shady" und "Marshall Mathers" findet.

Dr. Dre übernahm fast die komplette Produktion. Keine Angst davor, die Kontrolle über die Platte so umfangreich abzugeben?

Eminem: Das ist mit Dre nie ein Problem gewesen. Wir hängen ohnehin die ganze Zeit miteinander rum, und er hatte immer eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ein Beat für mich klingen muss. Er weiß, was ich mag. Deshalb brauchte er auch gar nicht so etwas wie eine Vorgabe. Klar, er fragte, was ich mir mir so wünschen würde. Und ich antwortete: "Hey, Mann. Mach einfach, worauf Du Bock hast." Und das funktionierte prächtig, woran ich aber auch nie die geringsten Zweifel hatte. Mir nahm das etwas Druck. Ich hatte so alle Zeit der Welt, mit verschiedenen Flows und Patterns herumzuexperimentieren und mich auf die Lyrics zu konzentrieren.

Die Single "We Made You" zeigt Dich erneut als Enfant Terrible des HipHop - kamen schon erste Reaktionen?

Eminem - B

Eminem: Kim Kardashian (amerikanisches Starlet, die Red.) hat reagiert, ja. Sie outete sich als Fan von mir und sagte, dass sie den Track ganz witzig findet. Und das zeigt, dass sie erkennt, worum es in dem Stück geht. Es ist ja nicht so, dass ich Kim nicht mag, oder Britney oder Christina. Es ist kein persönlicher Angriff, wenn ich über sie rappe. Sie sind Celebrities, und ihre Namen reimen sich eben auf irgendetwas. Deshalb verwende ich sie auf meinen Platten. Danach fahre ich nach Hause und denke nicht mehr dran. Aber hey, Kim Kardashian hat wirklich einen geilen Arsch.

"3 AM" zeigt Deine andere Seite - in dem Videoclip spielst Du einen Massenmörder - keine Angst davor, dass kein Musiksender der Welt das spielen wird?

Eminem: Nein. Weißt Du, ich habe eine bestimmte Hit-Formel, eine Formel, die eigentlich jedes Comeback, jede Platte begleitete. Es sind eben Songs da, die schocken, weil sie derbe sind, wie "We Made You". Andere sind beklemmend, wie "3 AM". Ich denke wirklich nicht im Entferntesten daran, wie das vom Radio oder vom Musikfernsehen wahrgenommen wird. Das ist mir völlig egal, ich arbeite für mich. ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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