Zwischen Freiheit und Geborgenheit
Italo-Pop-Superstar Eros Ramazzotti spricht über Heimat, zwiespältige Beziehungen und seine Hoffnung auf Obama
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Zwischen Freiheit und Geborgenheit
Italo-Pop-Superstar Eros Ramazzotti spricht über Heimat, zwiespältige Beziehungen und seine Hoffnung auf Obama
22.05.2009 Eine Privatstraße in Mailand, Hinterhofgebäude, zweiter Stock. Irgendwie kaum verwunderlich, dass Eros Ramazzotti hier in einem gut versteckten Studio Mitte April Fragen zu seinem neuen Album "Ali E Radici" (zu deutsch: Flügel und Wurzeln) beantwortet. Nicht erst seit seiner schlagzeilenträchtigen Scheidung von der Moderatorin Michelle Hunziker hasst der 45-jährige Superstar des Italo-Pop jeglichen Medien- und Starrummel. Hier im heimelig eingerichteten Studioloft allerdings fühlt sich Ramazzotti sichtlich wohl, erscheint im legeren Sweatshirt, präsentiert sich als aufgeräumter Gesprächspartner. Der konzentriert und mit großer Ernsthaftigkeit auf Fragen zu seinen persönlichen Wurzeln antwortet, aber auch nur richtig auftaut, wenn es um sein Lieblingsthema geht - Fußball.
Sie sind in Rom geboren, leben seit über 20 Jahren in Mailand. Warum sind Sie eigentlich Fan von Juventus?
Eros Ramazzotti: Das habe ich mich auch schon immer gefragt. Und viele Leute haben mich das auch schon gefragt. Aber es ist eigentlich ganz einfach: Mein Vater und mein Onkel waren schon in den 50er-Jahren Juve-Fans.
So ist das ja oft, mein Vater hat mich auch einmal mit ins Stadion genommen, seitdem bin ich Fan.
Ramazzotti: Welcher Verein?
Eintracht Frankfurt.
Ramazzotti: Hmm. Die stehen eher so im Mittelfeld, oder? Aber Wolfsburg ist gerade sehr stark.
Das stimmt. Ich frage aber auch deshalb, weil ich mich gefragt habe, wo Sie sich zu Hause fühlen ...
Ramazzotti (bestimmt): Hier. In Mailand. Klar, ich bin in Rom geboren, habe dort einige Jahre gelebt, aber in den Außenbezirken. Ich bin in Cinecittà aufgewachsen, da gab's nicht viel, einige Häuser, nicht viel drum herum. Rom war schon ziemlich weit weg. Das wirkliche Rom, die Hauptstadt, den Sitz des Papstes, den Ort, an dem die Reichen wohnen, habe ich also auch gar nicht verlassen. Und eigentlich hätte ich überall geboren werden können. Sicher, in gewisser Weise fühle mich ich schon als Römer, noch mehr aber als Italiener, als jemand, der diese Grenzen überschreitet. Denn der Römer an sich ist sehr konservativ, für ihn gibt es auch nur Rom, keine andere Stadt auf der Welt. Ich sehe mich aber eher als einen Mann von Welt.
Und Mailand?
Ramazzotti: Ich fühle mich hier wohl, natürlich auch, weil mir die Stadt vor über 25 Jahren Karrieremöglichkeiten eröffnete, die ich in Rom nicht hatte.
Für Ihr neues Album "Ali E Radici" haben Sie wieder mit zwei ihrer langjährigen Partner gearbeitet. Wie wichtig ist Ihnen eine gewisse familiäre Atmosphäre?
Ramazzotti: Für mich ist das außerordentlich wichtig. Außerdem glaube ich an den Satz: Never change a winning team. Und bei uns ist es ja nicht wie mit Fußballern, die irgendwann alt werden. Wir hingegen werden ja eher immer besser.
Würden Sie die beiden als Ihre Freunde bezeichnen?
Ramazzotti: Ich würde sagen, es gibt einen starken Zusammenhalt zwischen uns. Aber das hängt sehr von meiner Persönlichkeit ab. Zum einen bin ich niemand, der unbedingt die ganze Zeit mit jemandem zusammen sein muss, um mit ihm befreundet zu sein. Und zum anderen habe ich für mich selbst gelernt, dass es besser ist, nicht zu viele Freunde zu haben. Denn richtige Freunde gibt es eben nur wenige.
Ein Song ihres neuen Albums, "Affetti Personali", handelt von Freundschaften. Sind Ihnen persönlich Freundschaften inzwischen wichtiger als Liebe?
Ramazzotti: Normalerweise geht eine große Liebe zulasten von Freundschaften. Vor allem Frauen wollen dann ja immer bei dir sein, schotten sich gerne gegenüber anderen Personen ab. Aber eigentlich sind Liebe und Freundschaft natürlich zwei ganz verschiedene Dinge, beide sind wichtig, und es ist um so besser, wenn beide da sind.
Welche Bedeutung hat der Albumtitel "Ali E Radici" für Sie?
Ramazzotti: Er drückt aus, wie ich mich momentan fühle. Da ist auf der einen Seite der Wunsch, das Glück mit einer anderen Person zu suchen, jemanden zu finden, mit dem du dein Leben teilen kannst. Und dann ist da aber auf der anderen Seite die Angst, etwas aufgeben zu müssen. Also entweder zu sesshaft zu werden oder doch zu fliegen, sich frei zu fühlen. Denn während der letzten acht Jahre hatte ich zwar meine Tochter Aurora, aber ansonsten lebte ich doch mehr oder weniger alleine. Aber ich fühle mich großartig dabei. Auch wenn man manchmal eine weitere wichtige Person im Leben vermisst.
Sie wirken auch sehr entspannt, lachen auf dem Albumcover ...
Ramazzotti: Das wollte ich auch. Denn ich glaube, dass das Album insgesamt ein positives Grundgefühl vermittelt. Auch wenn sich manches darum dreht, was in der Welt nicht richtig läuft.
Und zwar?
Ramazzotti: Es ist ja leider Realität, dass wir uns nicht gerade im Paradies befinden. Gerade jetzt. Aber wir hoffen immer, dass sich die Dinge ändern. Sicher, es ist schwierig, Gewalt und Kriege zu unterbinden. Aber ich glaube, dass US-Präsident Obama vielleicht jemand sein könnte, der einen Unterschied macht. Wenigstens sagt mir das mein Bauchgefühl. Ich hoffe nur, dass er vom US-Alltag nicht aufgesaugt wird. Und dass er das tun kann, was er machen will, dass es ihm erlaubt wird.
Aber Obama alleine wird diese Aufgaben ja nicht schaffen. Sehen Sie denn andere Persönlichkeiten, die ihm dabei zur Seite stehen könnten? In Europa womöglich?
Ramazzotti: Naja, Obama und vor allem die USA sind schon das Zentrum der Welt. Aber als Italiener in Europa sehe ich schon die Situation, dass hier Umweltschutz, Respekt gegenüber anderen Menschen, Toleranz generell einen höheren Stellenwert haben - vor allem in den nördlichen Staaten, in Deutschland, Österreich, in der Schweiz. Und dass dort weniger politische Konfusion herrscht als hier in Italien, in Frankreich oder Spanien. Was ich aber zu einem gewissen Grad fürchte, ist, dass Russland - obwohl sich die Sowjetunion in so viele Teile aufgespaltet hat - wieder zu einer Supermacht geworden ist. Dort müsste es jemanden geben, der die richtigen Impulse gibt. Sonst könnte es gefährlich werden. Insofern ist es schon ein Fortschritt, dass es dort nun einen neuen Präsidenten gibt, denn Putin ist - meiner Meinung nach - eine gefährliche Figur. Ich will nicht, dass da jemand sitzt, der morgens aufwacht und sagt: Und jetzt drücken wir auf den roten Knopf.
Darüber will man eigentlich gar nicht nachdenken, oder?
Ramazzotti: Ja, das stimmt. Wir leben schon in einer seltsamen Welt. Wenn ich mir nur mal die letzten Jahre hier in Italien anschaue. Jugendliche, die ihre Eltern ermorden. Nachbarn, die fünf Menschen und einen zweijährigen Jungen umbringen. Die Leute werden verrückt. Überall: In Deutschland geht ein Junge in seine Schule und tötet 20 seiner Kameraden. Was auch immer. Eine Situation wie diese ist beunruhigend, wenn man nicht jemanden hat, der breite Schultern hat. Und jetzt kommt noch die Wirtschaftskrise auf der ganzen Welt hinzu.
Zum Schluss möchte ich noch mal weg von den großen Problemen und hin zu den Sorgen eines Stars. Schaffen Sie es manchmal trotz allem, sich ein Fußballspiel live anzuschauen?
Ramazzotti: Nach Rom kann ich nicht gehen. Da würden sie mich umbringen (lacht). Aber hier in Mailand habe ich mir schon oft Milan und Juve angeschaut. Das geht schon. Aber ganz ehrlich? Bei den heutigen technischen Möglichkeiten schau ich mir die Spiele lieber daheim an. ~ Stefan Weber (teleschau)
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