Klaus Doldinger

"Jazz ist das innere Feuer, das in mir brennt"


Klaus Doldinger spricht über Jazz, Filmmusik und die Nachteile Hollywoods

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"Jazz ist das innere Feuer, das in mir brennt"

Klaus Doldinger spricht über Jazz, Filmmusik und die Nachteile Hollywoods

12.12.2008 Klaus Doldinger ist nicht nur der Urheber von großen Film- und TV-Musiken wie "Tatort", "Das Boot" oder "Die unendliche Geschichte". Der Saxofonist, Pianist und Komponist gilt in erster Linie als Jazzmusiker, der schon früh neue Wege beschritt. Bereits in den 60-ern führte Doldinger sein eigenes Jazztrio, und seit 38 Jahren steht er mit seiner Fusion-Band "Passport" auf der Bühne. Deren Bühnenshow zeigt Klaus Doldinger auf der umfassenden Live-Doppel-CD plus DVD "Klaus Doldinger's Passport On Stage". Ein guter Anlass, ihn in seinem gemütlichen alten Holzhaus mit den blauen Fensterläden in Icking am Starnberger See zu besuchen. Klaus Doldinger öffnet selbst, hat Kaffee gemacht und entpuppt sich als einer der freundlichsten, höflichsten und umtriebigsten Herren, denen man in der Musikbranche begegnen kann.

Ihr neues Album enthält sowohl Livemitschnitte wie auch Auftritte mit der WDR-Bigband. Aus welchem Grund bringen Sie gerade jetzt ein so monumentales Live-Album heraus?

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Klaus Doldinger: Wenn man so viel live spielt wie wir, dann hat man im Laufe der Jahre das Gefühl, dass sich die Stücke stark verändert haben. Man kann ein Stück einmal im Radio hören oder auf dem Konzert, und dann ist es weg. Ich dachte nun, dass die Stücke in diesen neuen Interpretationen es wert wären, der Nachwelt auch einmal als Tonträger erhalten zu werden. Die Besucher von normalen Passport-Konzerten können sich das gar nicht vorstellen, wie unsere Musik mit Bigband klingt.

Kritiker tun sich ja schwer, Ihre vielfältige Musik noch in passende Worte zu fassen, bezeichnen sie oft mit dem Unwort "Fusion" ...

Doldinger: Ach, jede Musik ist doch Fusion. Selbst ein Mozart wäre ohne die Musik davor - Händel, Bach, Scarlatti, Vivaldi - gar nicht denkbar. Alle Einflüsse haben dazu beigetragen, dass sich die Musik weiterentwickelt hat. Mit dem einigen Unterschied, dass man sich früher in Konzertsäle begeben musste und man heute in den Elektromarkt geht und sich den Tonträger kauft. Unser musikalisches Umfeld ist so umfangreich geworden, dass man gar nicht anders kann, als manchmal vor lauter Wald die Bäume nicht zu sehen.

Erfolgreiche Jazzmusiker wie Sie werden ja oft kritisch beäugt. Sie selbst sagten einmal: "Ein Jazzmusiker, der Erfolg hat, steht immer unter Verdacht." Unter welchem? Dass er doch kein Jazzmusiker ist?

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Doldinger: Genau! Das sieht man ja am Beispiel Till Brönner, dem versuchen sie doch auch alles Mögliche anzuhängen. Ich finde, wenn man es schafft, als Instrumentalist überhaupt Beachtung zu finden, dann ist das doch eine ganze Menge! Da gibt es immer Kritiker, die meinen, das ginge nicht mit rechten Dingen zu! Mir hat man auch immer zu viel Kommerzialität unterstellt. Das war kurzsichtig gedacht. Denn mein Ansinnen war immer, für ein Publikum zu spielen. Ich komme aus einer anderen Ecke als Kollegen, für die der Jazz mit John Coltrane und Stan Getz anfing. Meine Wurzeln waren eher die New Orleans-Musiker, Sidney Bechet, Louis Armstrong. Oder die Bluesmusiker, mit denen ich das Glück hatte, schon in frühen Jahren in Kontakt zu stehen. Das waren meine Wurzeln, die mich über den Umweg des Modern Jazz und Ethno, des ganzen frühen Rock 'n' Roll und meines eigenen Konservatoriumsbackgrounds, ich habe ja klassisches Klavier studiert, zu dem geführt haben, was ich heute mache.

Ich freue mich ja jeden Sonntag über die "Tatort"-Musik. Ist das für Sie auch Jazz?

Doldinger: Das Stück ist aus einem Jazzbackground heraus entstanden. Mein ganzes kompositorisches Schaffen wäre ohne Jazz nie geworden, was es wurde. Der Jazz ist das innere Feuer, das in mir brennt, und das kann sich mal in eine ganz andere Richtung entzünden und muss dann nicht nach Jazz klingen. Ich habe auch Balladen und Kinderlieder geschrieben. Und sogar "Hurra, wir leben noch" für Milva (lacht). Aber ohne dieses Jazzfeuer hätte ich das nie schreiben können. Jazz ist ja nichts anderes als der Wunsch, aus mir heraus, frei etwas Neues zu erfinden. Das Jazzspezifische, das treibende Moment, der Groove, der Swing, der muss ja nicht immer mit drin sein.

Sondern?

Doldinger: Klangfarbe, Ausdruckskraft und vor allem Timing machen Jazz aus. Selbst wenn ein Stück durchkomponiert ist und nicht improvisiert wird. Viele Musiker haben den Drang, dem Beat wegzulaufen. Ich habe mal einen Cellisten gesehen, der war ständig voraus, der eilte. Ich dachte nur: Um Gottes willen, du armer Mensch, setz dich mal neben ein Metronom! Die Jazzmusiker hingegen beherrschen die Kunst, diese kleine Spannung extra aufzubauen, bewusst ganz klein vorneweg spielend, oder - wie Lester Young oder Miles Davis - auch ganz gerne mal extra verzögert.

Was machen Sie lieber, Jazzmusik oder Filmmusik?

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Doldinger: Nichts von beidem. Beim Film kommt es auf das Projekt an. Ich sage auch ab, wenn mir etwas nicht gefällt. Am Ärgerlichsten ist es, wenn Regisseure meinen, einen misslungenen Film mit Musik aus der Bredouille holen zu müssen. Aber die Filme gemeinsam mit Wolfgang Petersen waren immer optimal! "Das Boot", "Einer von uns beiden", "Schwarz und weiß", "Planübung", "Die unendliche Geschichte" - aber dann ging er in die USA.

Haben Sie nach so viel Erfolg in TV und Kino nie den Drang verspürt, Petersen zu folgen und auch nach Hollywood zu gehen?

Doldinger: Nein, denn in der Filmmusik bekommt man einfach nicht immer die besten Filme angeboten. Und ich habe es nicht eingesehen, wochenlang in Cleveland einen Film zu vertonen, dessen Qualität von jedem einzelnen "Tatort" übertroffen wird! Ich war kreuz und quer durch die USA unterwegs, mit Passport, von West nach Ost, von oben nach unten, aber die amerikanische Seele - ich weiß nicht. Mir ist die Szenerie in Mitteleuropa viel wichtiger und näher. Wenn ich mich ins Auto setze, bin ich in wenigen Stunden in Italien, der Schweiz, Frankreich. Das ist mir kulturell näher. Die Jazzmusiker in Amerika, die besten Musiker der Welt, müssen dort ein jämmerliches Dasein fristen, mit den schlecht bezahltesten Gigs der Welt. Hier kriege ich für eine Tournee mit einem Handschlag 100 Konzerte zusammen, und das in wunderbaren Hallen. Wie diese ganzen kleinen Gemeinden das fertig bringen, so wunderbare Konzertsäle von wirklicher Statur zu haben, das ist unglaublich! Dieser Output ist nicht vergleichbar! Auch der Range hier ist weiter, ich kann hier Fernsehspiel, Werbung, Theater und Film machen, und dazu die Jazzkonzerte. In den USA wird man auf ein Genre festgelegt, und dem muss man dann folgen.

Wieso können manche Musiker komponieren und manche nicht?

Doldinger: Ich glaube, das ist in die Wiege gelegt. Meine Großeltern hatten ein Klavier. Immer, wenn ich dort war, spielte ich mit zwei Fingern meine eigenen Lieder. Meine Eltern nahmen das wahr, und deshalb durfte ich die Aufnahmeprüfung am Konservatorium machen, obwohl ich weder Noten noch Klavierspielen konnte. Aber auch dort hat man gemerkt, dass ich den Impetus hatte, gewisse Töne zusammenzufügen. Vor dem Abitur kam dann die Klarinette hinzu, Saxofon habe ich mir selbst beigebracht.

Hatte es Ihre Frau als Musikerfrau besser als andere, da Sie Ihr Studio daheim hatten?

Doldinger: Die ersten zehn Jahre, als wir zusammen waren, in den 60-ern, hatten wir noch keine Kinder. Da war sie selbst berufstätig: als Model. Als die drei Kinder kamen, war ich sehr viel unterwegs. Sie hat dann im Malen und Fotografieren ihren eigenen künstlerischen Output gefunden. Meine Frau hat mich nie gemanagt, das finde ich auch ganz gut. Ich habe Kollegen immer bedauert, deren Frauen sie managen oder als Sängerin involviert sind. Die Musik ist unser gemeinsames Standbein, sie liebt Musik, aber das Business war bei uns getrennt.

Vielen Dank, Herr Doldinger!

Doldinger: Danke auch - genau, ich muss ja weiter arbeiten. Da sind noch die Entwürfe für das ZDF. Und ich wollte noch die alten Stücke katalogisieren, und dann noch diese Aufnahmen, die noch nicht erschienen sind, und das neue Studioalbum ... ~ Kati Hofacker (teleschau)


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