Olli Schulz

Deckung runter, auf ins Leben!


Olli Schulz macht den "Bibo", kann aber auch ernst

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Deckung runter, auf ins Leben!

Olli Schulz macht den "Bibo", kann aber auch ernst

12.03.2009 Auch wenn er kürzlich beim Bundesvision Song Contest die ganz große Bühne hatte, bleibt Olli Schulz bis auf Weiteres Independent-Künstler - und damit preisbewusst. Etwas in Eile hetzt der Songwriter vom ersten Drehort zum zweiten. Gleich zwei Videos filmt der Wahl-Berliner mit Hamburger Wurzeln an der Nordseeküste hintereinander ab - "aus Kostengründen". Anlässlich des Erscheinens seines neuen Studioalbums "Es brennt so schön" nimmt er sich unterwegs aber trotzdem Zeit für ein paar Bemerkungen und Richtigstellungen zur neuen Platte. Denn auch wenn sich Schulz mit seinem Contest-Beitrag "Mach den Bibo" jüngst als Spaßvogel präsentierte, will der überraschend sensible Künstler nicht missverstanden werden.

Du beginnst Dein neues Album mit der Feststellung "Ab jetzt tut's nur noch weh." Machst Du's wie die Politik, stimmst Du die Menschen auf schwere Zeiten ein?

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Olli Schulz: Nein. Das Lied ist gar nicht politisch gemeint. Es ist einfach so, dass in meinem Leben das Gefühl der Hoffnungslosigkeit genauso vorhanden ist wie das der Zuversicht. Hier geht es nicht um die Wirtschaftskrise oder darum, dass harte Zeiten auf uns zukommen. Ich habe eher das Menschliche im Blick. Es scheint heute nur noch darum zu gehen, schnell Geld zu machen und sich dann aus dieser Welt zu entziehen. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.

Eine Abrechnung mit der vorherrschenden Mentalität?

Schulz: Genau. Es geht um ein gesellschaftliches Phänomen. "All You Can Eat" schrieb ich beispielsweise letztes Jahr in den USA, wo ich in ganz San Francisco außer bei Starbucks keinen Kaffee bekam. Ich hole mir meinen Kaffee doch lieber bei einer schlecht gelaunten Bäckersfrau, als dass ich mich in eine träge Horde bei einem Konzern wie Starbucks einreihe, der systematisch die kleinen Läden kaputt macht. Es ist bitter, dass das jeder hinnimmt.

Trotz dieser ernsten Themen wirst Du öfter als Comedian oder Entertainer beschrieben denn als Songwriter oder Musiker. Willst Du ein bisschen weg vom Comedy-Label?

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Schulz: Ich will da gar nicht unbedingt von weg, ich finde es bloß schade, dass viele Menschen eine Schublade brauchen. Ich bin gerne Entertainer und habe überhaupt kein Problem damit, wenn ich als lustiger Typ wahrgenommen werde. Das ist Teil meiner Bühnenpräsenz. Humor zu zeigen, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, zeigt auch viel Größe. So ein Bushido, sage ich jetzt einfach mal, hat vielleicht nicht die Distanz, auch mal über sich selbst zu lachen.

"Mach den Bibo" ist so ein wenig subtiler Spaßsong, zielt der in die Richtung Selbstironie?

Schulz: Na klar! Der Song ist einerseits eine falsche Fährte ins Album, weil man denkt: "Was ist das denn für ein Kalauerkönig?" Andererseits sage ich immer: Warum kann nicht auch ein Typ mit Schulabschluss einen Tanz- und Mitmachsong schreiben? Warum ist dieses Feld so vereinnahmt von den Ballermann-Königen? Das muss doch nicht sein!

Mit dem Bundesvision Song Contest hast Du dafür die perfekte Bühne gefunden, oder?

Schulz: Genau, und ich wäre auch mit keinem anderen Song dort aufgetreten. Ich finde es grundsätzlich nicht schön, wenn eine große Masse darüber urteilt, ob etwas gut oder schlecht ist. Dem möchte ich mich nicht ausliefern. Persönliche Songs würde ich nie bei einer Unterhaltungssendung spielen, weil die dafür nicht die richtige Plattform ist. Als Künstler nehme ich ja immer die Deckung runter. Es maßen sich Leute ein Urteil an, die sich nie mit mir auseinandergesetzt haben. Auf Myspace beleidigten mich beispielsweise Menschen, die den "Bibo"-Song total scheiße fanden, mein Werk aber gar nicht kannten. Das wegzustecken, ist nicht so einfach, wie man denkt.

Mit dem Bundesvision Song Contest suchtest Du aber bewusst einen kontroversen, sehr öffentlichkeitswirksamen Rahmen aus. Nimmst Du diese Veranstaltung wirklich so bierernst?

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Schulz: Nee, nee, das ist so: Ich hatte zur richtigen Zeit den richtigen Song für die richtige Veranstaltung. Ich glaube auch, dass ich mich ganz gut aus der Affäre gezogen habe. Der "Bibo"-Song öffnete mir neue Türen: Durch ihn fand ich eine neue Plattenfirma, und wenn Menschen jetzt über das Lied auf mich aufmerksam werden, ist das eine gute Möglichkeit, ihnen meine übrige Musik näherzubringen. Mit Wettbewerbsdenken hat das alles nicht viel zu tun. Wenngleich ich ehrlich sagen muss: Letzter zu werden, hätte mich getroffen, so viel Ego besitze ich dann doch.

Hattest Du Gelegenheit, Dich mit Deinem Gastgeber, Stefan Raab, zu unterhalten?

Schulz: Ja! Bei ihm muss ich meine frühere Meinung revidieren. Er hat sich äußerst freundlich mit mir unterhalten und bei der Generalprobe sogar Tipps gegeben: "Deine Tänzer müssen noch mehr den 'Bibo' und den 'Grobi' machen!" Das war sehr sympathisch. Man muss Stefan Raab überhaupt zugutehalten, dass er sehr viele Ideen hat und viel auf die Beine stellt - ob man das im Einzelnen gut findet oder nicht.

Auch Du standest dieses Mal in der Pflicht, die Platte alleine auf die Beine zu stellen. Dein Partner Max Schröder - Der Hund Marie - war erstmals nicht mit dabei.

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Schulz: In einigen Kritiken stand, wir hätten uns gestritten und getrennt: Das ist alles Blödsinn. Die Sache ist einfach die: Max wurde Vater, er ist mit Heike Makatsch zusammen, die viel beschäftigt ist, und er spielt Schlagzeug bei Tomte. Es war schlicht zeitlich nicht möglich. Gleichzeitig war es auch eine Art Befreiung, zu sehen, dass es ohne ihn geht. Mit einer Reihe befreundeter Musiker zusammenzuarbeiten, hat die Platte vielseitig gemacht.

Wie viele Deiner Kollegen bist Du von Hamburg nach Berlin gezogen. Was macht für Dich den Hauptstadtreiz aus?

Schulz: Bei mir hat das gar nichts mit Hauptstadtreiz zu tun. Ich hatte damals eine Freundin, die beruflich nach Berlin musste, also ging ich mit. Als wir uns trennten, wollte ich nicht gleich wieder zurück und eingestehen: "Hat nicht geklappt, da bin ich wieder!" Ich dachte mir: "Gibst Du Berlin noch eine paar Chancen", zumal ich eine Dreizimmerwohnung für 400 Euro Warmmiete habe. Die findet man in Hamburg nicht, obwohl ich schon großes Heimweh nach meiner Heimatstadt empfinde. Ich habe gerade erst ein neues Lied geschrieben, das heißt: "Aber sterben will ich in Hamburg".

Schöner Titel, wie auch der Deines Romans "Horseworld", der 2009 erscheinen soll. Worum geht es da?

Schulz: Der Roman beginnt im Jahr 1990 und endet 2000. Ich arbeitete zu dieser Zeit als Stagehand und Bühnenbauer. Es werden Bands beschrieben, meine Begegnungen mit Lou Reed oder Evan Dando von dem Lemonheads, und es endet tragisch mit dem Tod eines engen Freundes. Mit ihm machte ich jahrelang diesen Job, ehe er mit 29 Jahren an einem Herzklappenfehler starb. Es ist eine Huldigung an diesen Freund und an meine Zeit als Musikfan.

Mit Lou Reed bist Du Dir in die Haare geraten. Wie man hört, ist das nicht sehr schwer.

Schulz: Nein, ist es nicht. Das war damals so: Ich hatte als Stagehand einen ziemlichen Knochenjob für zehn Mark die Stunde. Das Schönste daran war, beim Soundcheck alleine mit dem Künstler in der Halle zu sein. Lou Reed kam damals auf die Bühne, zeigte auf mich und fragte seinen Bodyguard: "Wer ist dieser Arsch da?" Dann schmiss er mich und meine Mitarbeiter raus und rief uns hinterher: "Get out, you bloody assholes!" - Den Leuten, die seine Bühne aufgebaut haben! Das machte in zehn Jahren kein anderer Künstler.

Der Boxer auf dem Plattencover - ist das eine Referenz an diese Zeit auf dem Kiez, vielleicht auch ein Motiv, das auf Deinen Werdegang zutrifft? Musstest Du Dich durchboxen?

Schulz: Ich komme weder aus einer reichen Familie, noch genieße ich jetzt großen Luxus. Dennoch ist es mir zu pathetisch zu sagen, dass ich's schwerer habe als andere. Manchmal kommt man mit dem Job, den macht, besser, mal schlechter zurecht. Allerdings war ich selbst mal Boxer und mag den Sport sehr. Das Bild von dem Boxer vor dem Kampf empfand ich einfach als sehr passend für die Platte: Auf in den Kampf, auf ins Leben, "Es brennt so schön!" ~ Jens Szameit (teleschau)


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