Paul Potts

"Ich dachte, ich stehe das letzte Mal auf einer Bühne"


Paul Potts über seine ungewöhnliche Karriere, berechtigte Kritik und seinen Kinderwunsch

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"Ich dachte, ich stehe das letzte Mal auf einer Bühne"

Paul Potts über seine ungewöhnliche Karriere, berechtigte Kritik und seinen Kinderwunsch

08.05.2009 Die meisten Menschen hierzulande kennen Paul Potts als den "süßen Handyverkäufer mit den schiefen Zähnen", Sohn einer Supermarktverkäuferin und eines Busfahrers aus England, der beim britischen Superstar-Contest "Britain's Got Talent" nicht nur die Juroren, sondern gleich noch die halbe Nation zu Tränen der Rührung sang. Und der als Überraschungssieger die 100.000 Pfund Prämie mit nach Hause nahm. Nach seinem Erfolg in Britannien machte Potts weiter - er eroberte halb Europa und vor allem Deutschland. Und seiner Interpretation der Puccini-Arie "Nessun dorma" aus der Oper "Turandot", die in einem Telefonwerbespot Verwendung fand, konnte man nicht entkommen. Aber von Anfang an waren die Meinungen geteilt: Vom "neuen Caruso" bis hin zu "der kann gar nicht singen" lauteten die Urteile der Kritiker - denen Potts im Interview wundervoll charmant den Wind aus den Segeln nimmt. Anlässlich seines neuen Albums "Passione" besuchte er Deutschland - eines seiner liebsten Länder, wie er sagt. Bestens gelaunt, dabei äußerst höflich und - very british - aufmerksam beantwortet der 38-Jährige alle Fragen mit einem Lächeln.

Auf Ihrem neuen Album stammt vieles nicht mehr aus der klassischen Gesangsliteratur. Warum haben Sie diesmal fast nur Klassik-Crossover gesungen? Sie wollten doch immer ein Opernsänger werden, warum werden Sie dann keiner, jetzt, wo Sie die Chance haben?

Paul Potts - B

Potts: Ein paar Klassiker gibt es schon. Und ich wollte gar nie Opernsänger werden. Aber dazu später. Was ich hier sagen will: Ich hänge nicht an Labels wie dem Begriff "Opernsänger". Ich stehe auf wohlklingende Musik, und es gibt eine Menge wunderschöner Musik auf diesem Album, egal ob klassisch oder nicht. Ich finde sogar, dass ich diesmal einen klassischeren Zugang habe, traditionellere Arrangements als auf dem letzten Album.

Warum haben Sie Sich damals eigentlich entschieden, bei einer Talentshow mitzumachen? Warum sind Sie nicht den normalen Weg eines Sängers gegangen, Vorsingen in Konzerthäusern, ein Agent, kleine Chorrollen ...

Potts: Ich wollte doch gar kein Sänger werden! Ich bin auf diese TV-Bühne gegangen, weil es für mich die letzte Möglichkeit war, noch einmal in meinem Leben aufzutreten. und ich dachte, es wäre das letzte Mal!

Wirklich?

Paul Potts - W

Potts: Ja, denn ich hatte 2003 zwei Schicksalsschläge zu ertragen und dann, bis zur Show 2007, vier Jahre nicht mehr gesungen! Ich hatte einen Blinddarmdurchbruch und dabei fand man einen riesigen Nebennierentumor! Fast zehn Zentimeter groß. Er war glücklicherweise gutartig, aber das wusste ich zuerst nicht. Er war nahe an der Leber, deshalb musste ich operiert werden. Zwei Tage nachdem ich "Aida" in der Bath-Oper gesungen hatte, ich war der Radames, kam ich unters Messer. Seither bin ich übrigens auch so mollig, mein Körper tut sich nun schwerer, Fett zu verbrennen.

Aber wieso haben Sie dann aufgehört zu singen?

Potts: Kurz darauf hatte ich einen Fahrradunfall und wirklich schlimme Schmerzen, das Schlüsselbein war gebrochen. Ich konnte drei Monate nicht schlafen, weil mir irgendetwas immer wehtat, der Kopf, der Nacken, die Schultern ... Mein Körper konnte mit dem Stress nicht mehr umgehen, ich war völlig fertig. Dazu kam, dass ich monatelang nicht arbeiten konnte, meine Frau Julie-Ann musste für uns beide sorgen, aber es reichte hinten und vorne nicht. Wir waren komplett pleite, bankrott, überschuldet! Ich musste ja sogar fürs Singen zahlen!

Zahlen fürs Singen?

Potts: Ja, in der Bath-Opera singt man umsonst, ohne Gage, es ist eine Amateur-Oper. Aber man zahlt die Reise dorthin, die Mitgliedschaft im Opernverein dort, Gesangsstunden, und so weiter. Es war ein teures Hobby. Und vor allem für mich nichts als ein Hobby. Das ich aufgrund meiner finanziellen Probleme aufgeben musste.

Und wer kam auf die Idee, dass Sie zur Talentshow gehen?

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Potts: Ich sah die Anzeige. Aber ich hatte es zuerst nicht erwogen, da hinzugehen. Ich fühlte mich schlecht, ich hatte vier Jahre nicht gesungen, und ich fühlte mich zu alt. Außerdem dachte ich, dass dort nur Popsänger gesucht würden. Aber irgendwie hat es mich doch gereizt.

Und wieso haben Sie ausgerechnet diese schwierige Arie "Nessun dorma" gewählt?

Potts: Weil es eine der bekanntesten Arien überhaupt ist! Man kann nicht in eine TV-Show gehen und etwas singen, was kein Mensch kennt!

Viele Kritiker meinten, es war schlecht gesungen ...

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Potts: War es auch. Ich war angespannt wie ein Bogen, hart im Hals (macht lustige Gesten und Würgegeräusche), und diese Spannung hat mich wirklich schlecht singen lassen. Wie ich hinterher sah. Während des Auftritts war ich wie weggebeamt. Ich konnte mir nach der Arie nicht vorstellen, dass ich wirklich vor so vielen Leuten gesungen hatte, und begann zu zittern. Aber ich hätte es viel besser gekonnt. Ich habe damals sowieso eine falsche Technik gehabt, jetzt habe ich eine neue Lehrerin, die mich in einem ganz anderen, einfacheren Stil singen lässt, viel entspannter!

Viele Kritiker sagen aber auch jetzt noch, dass Sie nicht wirklich gut singen können - wie gehen Sie damit um?

Potts: Besser als früher! Ich bemerke ja nun, dass es viele Leute gibt, die ich mit meiner Musik glücklich mache. Das Gefühl hatte ich früher nicht. Außerdem bin ich konstruktiver Kritik gegenüber offen, sogar sehr. Wenn es mir die Möglichkeit gibt, etwas zu lernen, dann nehme ich sie an! Ehrlich gesagt habe ich in meinem Leben noch nie darüber nachgedacht, Sänger zu werden, deshalb ficht mich die Kritik nicht besonders an, ich habe ja nicht den Anspruch, ein Opernsänger zu sein. Ich habe nie gedacht, dass ich etwas, das mir Spaß macht, zu meinem Beruf machen könnte. Dazu hatte ich auch niemals das Selbstvertrauen! Arbeit ist Arbeit, das war meine Devise, und die Dinge, die Spaß machen, macht man nach der Arbeit.

Was haben Sie mit den 100.000 Pfund gemacht, die Sie gewannen?

Potts: Meine Schulden bezahlt! Durch meine Krankheit hatte ich unermessliche Schulden. Und der Rest - nun gut, es lässt uns etwas stressfreier und komfortabler leben, aber sonst habe ich nicht viel damit angefangen. Ich arbeite nicht mehr als Handyverkäufer. Obwohl mir das wirklich viel Spaß gemacht hat. Aber ich habe keine Zeit mehr.

Was viele sicher nicht wissen, dass Sie einen Abschluss in Philosophie haben ...

Potts: Ja, ich habe Philosophie studiert. Aber nicht, um damit Geld zu verdienen. Ich brauchte Geld, deshalb habe ich gearbeitet. Punkt. Ich bin mir nicht zu schade, mir die Hände schmutzig zu machen. Niemand sollte je zu stolz dazu sein, sich seinen Unterhalt zu verdienen. Es macht mich mehr stolz zu wissen, dass ich niemandem etwas schulde!

Haben Sie sich - gerade als philosophisch Interessierter - nie gefragt, warum es ausgerechnet Sie getroffen hat, gerade jetzt, gerade hier, um über Nacht erfolgreich zu sein?

Potts: Ich glaube, viel von dem, was du bist, transzendierst du irgendwie in der Art, wie du singst. Viel von deiner Person sickert, strahlt durch den Gesang durch. Wenn das nicht so wäre, könnte man ja einen Computer singen lassen, der könnte es bestimmt besser. Aber es fühlt sich anders an! Musik ist ein Mittel, um Gefühle zu transportieren. Man muss sich nur Tschaikowskys 6. Symphonie anhören, dieses Stück ist wundervoll, er hat es kurz vor seinem Tod komponiert, du kannst seine Kämpfe, die er mit sich ausfocht, hören. Er war stets so unglücklich, zerrissen (er singt das Stück, d. Verf.). Du fühlst den Schmerz darin! Ich weiß nicht, welche Tonart das ist. Aber das muss man nicht wissen!

Haben Sie eigentlich noch Zeit für Hobbys?

Potts: Ja, ich koche gerne. Was kein echter Spaß ist, weil meine Frau so eine mäkelige Esserin ist. Sie mag keine Tomaten, keine Champignons. Übrigens: Ihr in Deutschland salzt alles so stark. Viel zu viel! Wir in England haben im Pfefferstreuer mehr Löcher als im Salzstreuer!

Und wie sieht es mit der Familienplanung aus?

Potts: Gut, wir möchten unbedingt Kinder haben! Aber ich glaube, dass Kinder aus einer starken Liebe heraus geboren werden müssen, nicht weil sie jetzt gerade gut in die Planung passen. Ich glaube sowieso, dass Kinder kommen, wie sie wollen. Sie tun nie, was sie wollen. Sie werden noch nicht einmal dann geboren, wann du es willst.

Stimmt es, dass ein reicher Fan Ihnen ermöglicht hat, die Zähne zu reparieren?

Potts: Sagen wir so, es war ein Zahnarzt, der mir die Behandlung spendierte. Ich hatte auch viele Löcher in den Backenzähnen und diese kaputte Krone, es waren also nicht nur kosmetische Gründe. Aber das war der blanke Horror! Ich wusste bis dahin nicht, dass ich völlig unempfindlich gegenüber diesen Spritzen bin, ich habe alles gespürt, alles! Ich hatte 17 Spritzen! Aber es war mir wichtig. Als ich meine Hochzeitsfotos gesehen habe - das war der glücklichste Tag meines Lebens - wollte ich strahlen, aber es gab kein einziges Foto von mir, auf dem ich mit offenem Mund lächle. Ich hatte immer Probleme mit meinen Zähnen, konnte nie lachen, hatte immer Angst, dass man beim Singen meine Zähne sieht. Jetzt fühle ich mich wohler. ~ Kati Hofacker (teleschau)


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