Die richtige Zeit für eine Portion Optimismus
Pearl Jam veröffentlichen das Album "Backspacer"
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Die richtige Zeit für eine Portion Optimismus
Pearl Jam veröffentlichen das Album "Backspacer"
24.09.2009 Es gibt sie eben doch noch, die Unterschiede. Pearl Jam sind locker - und dass das in dieser Größenordnung keine Selbstverständlichkeit ist, weiß jeder, der mal Metallica interviewt hat. Wo da ein fußballmannschaftsgroßer Tross alles absicherte, jedes Staubkorn als potenziell störendes Element ausmachte und eliminierte, sitzen Basser Jeff Ament und Gitarrist Stone Gossard entspannt auf einer Bierbank im Backstage-Bereich der Berliner Wuhlheide und blinzeln in die Sonne. Sie haben gut lachen - denn der Abend kann nur ein Erfolg werden. Spitzenlocation, Spitzenwetter. Dazu 17.000 Fans, die aus ganz Deutschland angereist sind. Ein Heimspiel, das die Grunge-Ikonen später ebenso lässig wie leidenschaftlich durchziehen werden. Das ist Rock'n'Roll - authentisch und ohne Firlefanz. Ohne Leinwand, ohne Bühnenshow. Das neue Album "Backspacer", das jetzt erscheint, wird nur mit zwei Songs berücksichtigt, stattdessen gibt's viele Fanfavoriten, Songs aus der zweiten Reihe.
Zuletzt klang Pearl Jam eher mürrisch - "Backspacer" ist eine Platte, die sehr optimistisch anmutet und eine Menge Selbstvertrauen verströmt. Woher kommt's?
Stone Gossard: Das liegt sicher vor allem an der Tatsache, dass wir die Songs bereits im Vorfeld geschrieben hatten. Wir kannten sie also, als wir ins Studio kamen.
Jeff Ament: Ich glaube auch, dass es eine gute Zeit für so eine Platte ist. Dieser Ansatz war schon eine Weile in uns drin, aber erst jetzt ließen wir das alles raus. Viel Energie, tolle Texte, schöne Balladen, etwas Punk, sogar die 80er-Jahre stecken drin. Es ist sicher eine der vielfältigsten Platten unserer Laufbahn.
Was würden Sie sagen - ist "Backspacer" Pearl Jams Pop-Platte?
Ament: Vielleicht! Hör' dir mal dieses Riff von "The Fixer" an, da kann man das sicher so sagen. Aber ist es nicht auch ganz schön, auf dem neunten Album plötzlich den Pop zu entdecken? Das passiert doch meistens viel früher, etwa auf dem zweiten Album, wenn man verzweifelt dem Erfolg des ersten hinterherhechelt und unbedingt einen Hit braucht.
Hatten Sie jemals Angst vor so einem Ansatz?
Gossard: Eddie hatte diese Angst vielleicht. Zumindest brauchte er am längsten, um sich im Pop wohlzufühlen. Nicht, weil er ihn nicht mochte, wir alle lieben Popmusik. Wir sind Kinder der 70er-Jahre, da lief das ständig Radio. Da kamen Songs wie "Yummie, Yummie, Yummie, I've Got Love In My Tummy" und so. Wir mögen den Kram. Aber das in sich selbst reinzulassen ist eine ziemlich schwierige Sache.
Was gab den Ausschlag, sich für Brendan O'Brien zu entscheiden, der seinerzeit Ihre Alben "Vs." und "Vitalogy" produzierte?
Ament: Als er vor eineinhalb Jahren unser Debütalbum "Ten" remixte, waren wir wirklich begeistert von dem, was er so tat. Und so hatten wir plötzlich wieder recht viel Kontakt, sprachen regelmäßig miteinander. Matt hatte mit ihm ohnehin noch nie eine Platte aufgenommen und hatte wirklich Bock darauf. Es war also ein ganz natürlicher Prozess. Und er ist natürlich auch ein wahnsinnig guter Musiker. Er beherrscht alle Instrumente, kann dir viel über Harmonielehre sagen und ist auch technisch sehr versiert. Er kann dir jede Beatles-Platte ganz genau aus klangtechnischen Gesichtspunkten heraus erklären.
Er zeichnete auch für den neuen Mix Ihres Debütalbums "Ten" verantwortlich. War es für Sie bewegend, die alten Songs wieder zu hören?
Gossard: Nicht so sehr. Für mich war etwas anderes wichtiger: Wir spielten vor einem Jahr eine Reihe von Gigs mit Green River (Gosssards und Aments erste Band, die Red.). Zu erkennen, wie ich die Songs damals spielte, wie wir in unserem Songwriting manche Regeln der Rockmusik überhaupt nicht befolgten, das war für mich wichtiger. Das hatte auch Einfluss auf die neue Platte, denke ich. Aber es überraschte uns doch, was für eine gutes Album "Ten" war. Vor allem entwickelte ich eine neue Wertschätzung gegenüber Dave Abbruzzese - ich hatte ganz vergessen, was er für ein hervorragender Schlagzeuger war.
Erinnern wir uns an das "MTV Unplugged"-Konzert von 1992. Man munkelt, dass Sie noch einige Male gefragt wurden, aber stets ablehnten ...
Ament: Das ging eine Zeit lang so, ja. Aber das Problem hat sich mittlerweile gelöst - es guckt ja keiner MTV mehr. Aber wir nahmen vor drei Jahren für VH1 ein "Storytellers"-Konzert auf, das machte Spaß.
Interessieren Sie Sich denn noch für MTV?
Ament: Oh ja, Jeff und ich sind fasziniert von "Cribs".
Gossard: Neulich war da dieser Profiskater. Ein Typ, 18 oder 19 Jahre alt. Ein Haus mit 15 Zimmern, ein Kühlschrank voller Bier, das war's. Oder "Cribs" mit Missy Elliot. Die zeigt da ihr diamantenbesetztes 60.000-Dollar-Klavier her, kann aber nicht einmal spielen. Sie hat einen riesengroßen Workout-Room - aber erzählt dann, dass sie leider noch gar nicht dazu kam, da drin auch zu trainieren. Ich meine, ich liebe Missy Elliot. Aber warum zum Teufel macht sie das?
Sie waren 15 Jahre bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag. Mussten Sie sich da je strecken? Mussten Sie Dinge tun, die Sie heute bereuen?
Ament: Nein. Wir waren immer die ernsthaften Typen ohne Humor. Das lag aber vor allem daran, dass wir schon vor Pearl Jam einen Majordeal hatten und das Geschäft bereits kannten. Deshalb ging es uns, als wir mit Pearl Jam anfingen, sehr dezidiert um die Musik. Und verblüffenderweise kamen wir mit diesem Ansatz recht weit: Es war nie irgendein Typ von irgendeiner Plattenfirma bei uns im Studio und redete rein.
Gossard: Ich denke, dass wir heute einiges anders entscheiden würden. Damals waren wir überempfindlich. Wir lehnten gute Angebote ab, weil wir unsere Prinzipien nicht verletzten wollten - alleine deshalb. Das war auch immer eine Sache, die für unsere Plattenfirma absolut unverständlich war. Die verstehen nicht, warum du als Riesenact nicht alles unternimmst, um noch bekannter zu werden, um noch mehr Platten zu verkaufen. Da nicht mitzuspielen, ist schwierig. Weil es ja früher mal dein Ziel war, erfolgreich zu werden. Ich glaube, da haben wir über die Jahre sehr viel gelernt. Mittlerweile haben wir unser Territorium abgesteckt. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir hervorragend alleine arbeiten können.
Und so veröffentlichen Sie "Backspacer" kurzerhand ohne Plattenfirma ...
Gossard: Wir haben immer viel selber gemacht. Wer fotografiert uns? Wie soll das Artwork der CDs aussehen? Wie viel und vor allem wo wollen wir touren? Wer promotet uns? Was verkaufen wir, welche Radiostationen sind wichtig für uns? All diese Entscheidungen lagen ohnehin bei uns. Wir wissen schlichtweg, wie es geht. Wir haben jetzt Vertriebspartner für die ganze Welt. Letztendlich bleibt bei uns mehr Geld hängen, dafür, dass wir vertragliche Bindungen aufgegeben haben. Bei der Sony hatten wir einen Deal über acht Platten. 15 Jahre unter Vertrag! Das ist Wahnsinn, alleine arbeitsrechtlich! Kann dich eine Firma für 18 Jahre anstellen? Nein, eben. Deswegen ist es wichtig, dass wir da raus sind.
Ihnen ging es immer auch um die Unterstützung wohltätiger Organisationen. Auf Ihrer Homepage findet sich eine Liste mit mehr als 50 Gruppierungen. Wie wichtig ist dieser Punkt?
Ament: Das sind nicht alles Organisationen, mit denen wir ständig zusammenarbeiten. Das ist eher eine lose Ansammlung von Gruppen, mit denen wir in den letzten Jahren etwas machten, zum Teil auch nur einzelne Mitglieder der Band. Manche sind über die Jahre weniger wichtig geworden, andere haben an Bedeutung gewonnen. Wir denken aber, dass es wichtig ist, auf ihre Belange hinzuweisen. Wir sind alle Philanthropen, dieser Punkt liegt uns schon immer sehr am Herzen.
Verändert die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten etwas an Ihrer Artikulation? Kann man die Dinge jetzt ruhiger angehen?
Gossard: Ich glaube nicht, dass das etwas an unserem politischen Bewusstsein und an unserer politischen Einstellung geändert hat. Ich denke aber, dass wir generell optimistischer sein können, was die Art der Politik angeht, die Amerika gerade vertritt. Man kann Obama bewundern, sollte ihn aber mindestens respektieren. Es geht ihm nicht mehr darum, die Menschheit in Gut und Böse aufzuteilen, sondern eher darum, den gemeinsamen Nenner zu finden. Obama ist gut darin, das Beste liberaler und konservativer Standpunkte zu vereinigen. Er schafft Vertrauen.
Ament: Er ist vor allem auch der erste Präsident, zu dem wir einen persönlichen Bezug aufbauen können, weil er aus unserer Generation stammt. Er ist mit den gleichen Schlagzeilen aufgewachsen wie wir, machte vermutlich ähnliche Erfahrungen. ~ Jochen Overbeck (teleschau)
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