John Lennons Geist in Wolkenkuckucksheim
Phantom Ghost erzählen vom lustvollen Scheitern in der Kunst
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John Lennons Geist in Wolkenkuckucksheim
Phantom Ghost erzählen vom lustvollen Scheitern in der Kunst
08.05.2009 Wer sich auf eine Bühne stellt, sucht Bestätigung und Applaus. Dagegen ist nichts zu sagen. Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow und sein künstlerischer Partner Thies Mynther von der Band "Phantom Ghost" ergänzen jedoch: "Wer das Rampenlicht sucht, den umweht auch immer die heimliche Sehnsucht nach Scheitern, nach dem unverstanden bleiben." Eros und Thanatos, Yin und Yang, Wucht und Fragilität. Das neue "Phantom Ghost"-Album "Thrown Out Of Drama School" führt dem staunenden deutschen Pop-Fan das Genre des Kunstlied-Musicals vor, bedient sich dabei der Lehren von John Cage und dreht an den Hallspiralen John Lennons.
Ausgerechnet in Hamburg-Rothenburgsort, inmitten rostiger Industrieanlagen, umgeben von verwitterten Firmenschildern, die auf lange vergangene Wirtschaftswunder hinweisen, trotzt man der Krise. Auf den beiden oberen Etagen des alten Hamburger Speichers befindet sich das Tonstudio "Clouds Hill". Benannt nach einem englischen Cottage, der letzten Heimstätte von T.E. Lawrence, dem echten "Lawrence von Arabien". In dieser weltweit wohl einmaligen Mischung aus Tonstudio und Design-Hotel haben "Phantom Ghost" ihr neues Album "Thrown Out Of Drama School" aufgenommen.
Thies Mynther, neben Phantom Ghost auch bei Stella und Superpunk tätig - vor allem aber Produzent und Soundtüftler - betreibt das Studio gemeinsam mit Johann Scheerer. "Antizyklisch zu handeln, ist die Idee", sagen sie. Vor zwei Jahren erfüllten sich die beiden Hamburger diesen Traum. Ein Sound-Eldorado ganz nah am Himmel. Ein Ort, an dem sich auch Design-Nerds wohlfühlen. Inklusive atemberaubendem Blick auf Hamburgs Elb-Kanäle. "In einer Zeit, da viele große Tonstudios zumachten, haben wir unser voll analoges Studio eröffnet. Musiker aus der ganzen Welt kommen zu uns. Wegen der besonderen Technik und außergewöhnlichen Atmosphäre."
Kernstück des verschwenderischen Wahnsinns auf 600 Quadratmetern ist eine Legende namens "Neve 8068". Das bekannteste Mischpult der Musikgeschichte ließ sich Beatles-Produzent Sir George Martin 1978 anfertigen. John Lennons Album "Double Fantasy" ist darauf entstanden. Später verrichtete es seinen Dienst für Klangkünstler wie Daniel Lanois (U2, Bob Dylan, Peter Gabriel) in der New Yorker "Hit Factory." Nun also Rothenburgsort. 250.000 Euro hat Scheerer allein für das Pult hingelegt. Für seine Legenden, seinen von Toningenieuren gerühmten warmen Sound. Ein Schnäppchen, wie er findet. "Seit wir das Studio eröffnet haben, fragen mich Freunde immer wieder mit mitleidsvollem Blick: Und, wie läuft's? Die Antwort lautet, dass es gut läuft. Die Investition wird sich im Laufe der Jahre amortisieren."
Während im Nebenraum einer der bekanntesten Musiker der ehemaligen "Hamburger Schule" an seinem geheimen ersten Soloalbum arbeitet, zählt Thies Mynther auf, wer bisher im "Clouds Hill" logierte: "Das Spektrum reicht von Bill Ramsey bis Mars Volta. Eddie Stevens von Moloko war hier. Dazu Superpunk, Frank Spilker, 1000 Robota, Faust und natürlich Phantom Ghost."
In der Tat passt das neue Album des Popkunst-Projektes von Mynther und "Tocotronic"-Mastermind Dirk von Lowtzow zum Konzept "Clouds Hill" wie die berühmte Faust aufs Auge. "Thrown Out Of Drama School" überrascht mit analoger Nacktheit. Statt der geheimen Klanglandschaften des Vorgängers "Three" (2006) scheint man diesmal nur Stimme und Klavier zu hören. "Zwei Klaviere", wie Thies Mynther betont, "plus ein präpariertes Klavier nach den Lehren des John Cage". Was sich einfach anhört, war in Wirklichkeit kompliziert. Lange haben von Lowtzow und Mynther an ihrem Liedwerk gefeilt. Mit Filzen, Gummistöckchen und Bambusteilen experimentiert, die Platte am Computer vorentworfen, schließlich jede Note aufgeschrieben.
"Die Nacktheit ist nur vorgetäuscht", gesteht Mynther. "Am Ende soll es immer so klingen, als sei es leicht. Deshalb ist es Popmusik." Popmusik, die wie immer bei "Phantom Ghost" wunderbare Lieder in außergewöhnlichem Sound erschafft und dazu eine konzeptionelle Idee verfolgt. "Unsere Songs werden von fiktiven Figuren eines unterbudgetierten Off-Broadway-Musicals bevölkert. Gescheiterte Schauspieler und schlecht beleumundete Autoren. Künstler, die immer ein wenig die Aura des Untergangs umweht."
Ganz nebenbei kann der Hörer Bekanntschaft schließen mit wunderbaren Randfiguren der Kunst. Über einen psychedelischen Wüstentrip ("The Process") den Beatautor Brion Gysin kennenlernen. Die Experimentalfilmerin Maya Deren, die bereits in den Vierziger Jahren den Voodoo-Kult erforschte ("All Manner Of Things Shall Be Well") oder die Autorin Alicia Drake, die in ihrem Buch "Meshes Of The Afternoon" Exzesse der Pariser Modewelt in den Siebzigern erforschte.
Weitere Song-Protagonisten sind der französische Komponist und Vogelliebhaber Olivier Messiaen ("Ornithology"), der Dichter T.S. Eliot oder die Camouflage-Pop-Philosophen Right Said Fred, deren Hit "You're My Mate" gecovert wird. Auf einem Louis XIV-Sofa sitzend zu musizieren, neben einer psychedelischen Stehlampe und mit Blick durchs riesige Fenster auf den Sonnenuntergang im rostigen Hafen - die Atmosphäre von "Clouds Hill" hätte wohl vielen dieser feinnervigen Protagonisten durchaus gefallen. ~ Eric Leimann (teleschau)
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