"Wir sind keine Egoschweine"
Die bodenständigste Band des Deutschrock heißt Silbermond
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"Wir sind keine Egoschweine"
Die bodenständigste Band des Deutschrock heißt Silbermond
19.03.2009 Blättert man durch ihr neues offizielles Fanmagazin "Lebenszeichen", begreift man sehr schnell, wie die Band Silbermond tickt. Dem aus dem sächsischen Bautzen stammenden Quartett geht es um Nahbarkeit, Transparenz, soziales Engagement und vor allem um so etwas wie Teamgeist. Ihr im Heft ausführlich dokumentiertes Fußball-Faible passt da perfekt ins Bild: Interviewtermine anlässlich ihres neuen Albums "Nichts passiert" gibt es ausschließlich mit allen Vieren, die sich denn auch sämtlich auskunftsfreudig und überaus ernsthaft ins Gespräch einbringen.
"Wir sind ja auch 'ne Band", gibt Gitarrist Thomas Stolle zu verstehen, der im Folgenden allerdings doch deutlich mehr Redeanteile wahrnimmt als sein Bruder Johannes und Schlagzeuger Andreas Nowak, "da steht keiner mehr im Fokus als der andere." Und wenn die Medien dieses Gleichgewicht durcheinanderbringen, ist's auch kein Problem. "Wir sind keine Egoschweine, die auf jeder Titelseite stehen müssen, sondern Musiker mit Leib und Seele." Das sieht auch Stefanie Kloß so, die Anfragen speziell für ihre Person nicht gerne sieht und sich mit dem Label "Frontfrau" eher schwer arrangiert.
Silbermond, das ist von Gesprächsbeginn an unverkennbar, legen großen Wert auf ihre Integrität. Deshalb reflektieren sie offenbar sehr genau, was sie tun. Flapsige Antworten oder Späße sind ihre Sache nicht, zumindest nicht in der Kommunikation nach außen. Das mag eine Folge ihres enormen Erfolgs und des damit verbundenen Erwartungsdrucks sein, wenngleich sich eine gewisse Spannung bereits entladen haben dürfte. Die Vorabsingle "Irgendwas bleibt" stieg auf Platz eins in den Singlecharts ein - das bestmögliche Signal für das Schicksal des nachfolgenden Albums, was denn auch "gefreut und überrascht" habe.
Anders als ein unerwartet früher Widerhall aus dem samstagabendlichen Unterhaltungsfernsehen. In der zweiten Mottoshow des Casting-Spektakels "Deutschland sucht den Superstar" präsentierte Kandidat Daniel Schumacher bereits eine Interpretation der gerade erschienenen Rockhymne. "Notgedrungen" habe man sich den Clip hinterher im Internet angeschaut, und Thomas macht gleich unmissverständlich klar, woraus sich der Widerwillen speist. "'DSDS' ist eine Fernsehsendung, in der so getan wird, als ginge es um Musik, tatsächlich zählen nur Einschaltquoten und Werbeeinnahmen. Am Ende des Tages sind die Kandidaten dort nur Marionetten, denen gesagt wird, was sie zu singen und anzuziehen haben. Das ist nicht unsere Philosophie."
Und ihre Welt ist es auch nicht. Eine Band, die seit Jahren ganz vorne im Mainstream schwimmt, als unangepasst zu bezeichnen, trifft es sicher nicht ganz. Doch habe man sich mit gewissen Begleiterscheinungen eher arrangiert, als dass man im Erfolg voll und ganz aufgehe. Das Musikbusiness sei eine eigene Welt, erklärt Stefanie. Die Partys, der Glamour seien aber nur das eine. Besser aufgehoben fühle man sich im Proberaum und auf Tour. "Diese Seite der Karriere sieht genauso aus, wie wir sie uns vorgestellt haben."
Vor dem Hintergrund eines inzwischen zehn Jahre währenden Bandbestehens gibt der Titel der neuen Platte einige Rätsel auf. Sollte wirklich "Nichts passiert" sein? Eine bewusst gelegte Stolperfalle ins Album sei der Titel einerseits, der aber vor allem auf den Entstehungsprozess anspielt. Glaubt man den Berichten der Band, dann war das Album eine ziemlich schwere Geburt. "Haben wir's verlernt?", habe man sich zwischenzeitlich gefragt. Der Druck von außen und der eigene Anspruch habe die Band beim Songschreiben verkrampfen lassen, was eine Rückkehr zum Ausgangspunkt erfordert hätte. "Wir wollten an das Album rangehen, als hätte es die erfolgreichen Platten davor nicht gegeben", erläutert Thomas: Ohne Kalkül die Dinge anpacken, die Flucht nach vorne antreten, das Ganze möglichst naiv - im positiven Sinne, versteht sich.
Denn eine naive Weltsicht wollen sich Silbermond gewiss nicht bescheinigen lassen. "Wir haben immer nach links und rechts geschaut", beteuert Stefanie, die im Titelsong die politische Landschaft kritisch inspiziert. Thomas erklärt: "Bei manchen Politikern hat man das Gefühl, dass sie nur reden, nur Floskeln benutzen. Da würde man sich mehr Rückgrat wünschen und den Mut, Fehler einzugestehen. Sie sollten die Themen ansprechen, die die Menschen im Land beschäftigen." Gewiss, auch das klingt sehr nach Floskel, aber wer würde schon ernsthaft widersprechen wollen?
Geografisch sind Silbermond immerhin nah dran an der politischen Schaltzentrale der Bundesrepublik. "Berlin hat unser Herz gewonnen", freut sich Stefanie, die wie die gesamte Band seit rund fünf Jahren in der Hauptstadt lebt. "Am Anfang hatten wir es nicht leicht. Wir kamen aus der Kleinstadt und waren erstmal nicht bereit, uns zu öffnen, weil wir die Stadt nicht verstanden. Als wir aber in unseren Stadtteilen wohnten und dort arbeiteten, begriffen wir, dass Berlin im Grunde aus vielen kleinen Städten besteht." Verstreut in den Szenevierteln Prenzlauer Berg und Friedrichshain leben die vier, das Studio steht in Hohenschönhausen, der Proberaum befindet sich in einem Plattenbau in Marzahn. Der schnelle Zugang zur Natur fehle ihnen schon, doch kulturell sei Berlin ein El Dorado.
Dennoch haben die vielleicht bodenständigsten Überflieger der deutschen Rocklandschaft ihre Herkunft nie aus dem Auge verloren. Heimatbesuche in Bautzen sind aus terminlichen Gründen natürlich nicht immer möglich, aber wenn, dann sei man ziemlich verplant: "Vom Mittagstisch der Eltern geht's zum Kaffeetisch der Großeltern, von dort zu den Geschwistern." Gerade an Ostern, so Stefanie, gehe traditionell "die Post ab".
Dabei leidet ihre Geburts- und Heimatstadt inzwischen unter ähnlichen Problemen wie so viele ostdeutsche Gemeinden. Thomas beklagt etwa die schwierige Altersstruktur: "Viele junge Leute verlassen wie wir die Stadt. Die Perspektiven dort sind andere als in Köln, Stuttgart oder Berlin, die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 20 Prozent." Eine Bestandsaufnahme, die gleichwohl nicht fatalistisch rüberkommt, sondern sogleich um einen mahnenden Ausblick ergänzt wird: "Da muss sich was tun."
Eine Haltung, die nicht alleine vor dem Hintergrund zahlloser Charity-Aktionen rundheraus glaubwürdig erscheint. Silbermond wollen die Dinge anpacken, es eben nicht beim Reden belassen. Und wer die Außendarstellung der so zugänglichen Band immer noch nicht verinnerlicht hat, erhält sie ein letztes Mal auf dem rhetorischen Silbertablett: "Wir spielen keine Rollen", versichert Stefanie. Die Podcasts, die Fanaktionen, das Magazin: All das geschehe nicht, weil man sich davon etwas verspricht, sondern aus einem fast schon pädagogischen Interesse. "Wir wollen die Fans an unseren Prozessen teilhaben lassen, damit sie verstehen, wie eine Band funktioniert." Gar so kompliziert scheint das auch nicht zu sein. ~ Jens Szameit (teleschau)
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