Die größte und die kleinste Band der Welt
Snow Patrol über den Nutzen der Vergangenheit
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Die größte und die kleinste Band der Welt
Snow Patrol über den Nutzen der Vergangenheit
24.10.2008 Zwei Hits waren es, die Snow Patrol aus dem Indie-Reservat nach ganz oben spülten: "Run" (2003) und "Chasing Cars" (2006) liefen auch in Deutschlands Radiosendern rauf und runter. Man täte den Ende der 90er-Jahre nach Schottland emigrierten Iren aber unrecht, sie auf diese doch sehr gediegenen Balladen zu reduzieren. Ihr fünftes Album "A Hundred Million Suns" zeigt, dass die Gruppe um Sänger Gary Lightbody mehr kann. Gediegene Rocksongs etwa, wie die bereits hinreichend bekannte Single "Take Back The City".
Man munkelt, "A Hundred Million Suns" würde einen ausgeglichenen, einen glücklichen Gary Lightbody zeigen. Stimmt das?
Gary Lightbody: Sagen wir es so: Ich habe für dieses Album einmal die andere Seite der Medaille beleuchtet. Unsere bisherigen Platten waren Trennungsplatten. Diesmal geht es um die Liebe, ja. Aber es sind nicht unbedingt Songs, die mich repräsentieren, sondern eher solche, die allgemeingültig sein sollen, die nach draußen schauen. Gleichzeitig glaube ich, dass es unsere bisher experimentellste Platte ist. Wir verwendeten noch nie mehr Instrumente auf einem Album als diesmal und hatten im übrigen alle noch einmal Unterricht.
Ist es überhaupt möglich, nach 15 Jahren in einer Band noch etwas zu lernen?
Lightbody: Natürlich ist es schwierig, vor allem wenn Du sehr lange auf Tour warst. Du denkst ja, jeder Ton sitzt. Du denkst, dass du alles kannst - weil die Konzerte super sind, was aber nicht unbedingt an dir liebt. Der Schlüssel ist, sich davon freizumachen. Neu zu beginnen. Wir haben uns dafür in ein kleines Häuschen in Irland zurückgezogen. Wir taten so profane Dinge wie zusammenzusitzen und füreinander kochen. Wir redeten miteinander, über alles Mögliche. Wir frischten die Freundschaft zwischen uns auf. So etwas nimmt den Druck, die Intensität, in der du als Band lebst. Genau dann beginnt der Gitarren- oder der Schlagzeugunterricht zu wirken.
Zehn Jahre dauerte es, bis Ihr mit Eurer Musik Geld verdienen konntet. Jahre, in denen Ihr auf Mini-Festivals und in Clubs spieltet und Lichtjahre entfernt von so etwas wie Erfolg wart. Trotzdem: Vermisst Ihr manchmal die alten Zeiten?
Lightbody: Natürlich denken wir oft an diese Zeit zurück, weil es zehn bemerkenswerte Jahre waren. Wir haben von der Hand in den Mund gelebt, das war teilweise grenzwertig und hat die Band mehr als einmal fast zum Kollabieren gebracht. Natürlich war es auch aufregend. Und in der Rückschau sehen wir ja, warum wir das alles ausgehalten haben. Ich glaube, wenn eine Band es schafft, so lange zusammenzubleiben, obwohl sie kein Geld damit verdient, dann weiß sie, dass ihre Gründe die richtigen sind. Mann, ich musste damals meine komplette Plattensammlung verkaufen. Man verkauft Musik, um Musik zu machen. Absurd, nicht?
Hattet Ihr damals einen Masterplan?
Lightbody: Letztendlich waren unsere Vorstellungen schon ähnlich denen, die wir heute haben. Dass die Songs rauer klangen, lag an zwei Dingen. Einmal an der Produktion, und an der Tatsache, dass wir damals alle amerikanischen Indierock der 90er-Jahre mochten - Britpop interessierte uns überhaupt nicht, von den großartigen Oasis mal abgesehen. Wir wurden dann älter, das erkannte man daran, dass sich unser Musikgeschmack änderte. Und so etwas schlägt sich natürlich auch in den musikalischen Vorlieben nieder. Aber es ging uns wirklich nur ums Songwriting. "Run" etwa, das Stück, mit dem wir unseren Durchbruch hatten, schrieb ich schon eine ganze Weile vorher. Damals waren wir noch bei der kleinen Plattenfirma Jeepster, die uns bald darauf droppte ...
Wie ging's weiter?
Lightbody: Wir hatten Glück. Zeitgleich lernten wir Gareth (Jacknife Lee, Produzent der Band, die Red.) kennen, der uns enorm weiterhalf. In allen Belangen, sowohl was das Songwriting, als auch was Studioarbeit anging. Davor hatten wir vorher immer wahnsinnig Angst. Wir wollten unterwegs sein, auf Bühnen stehen. Nicht vor irgendwelchen Geräten, die wir nicht verstehen. Immer musste man die Songs noch mal spielen, das kam uns ... falsch vor. So etwas wie Geduld hatten wir nicht.
Habt Ihr der Sache von Anfang an getraut?
Lightbody: Man ist nach zehn Jahren ohne Erfolg nicht unbedingt optimistisch. Wir hatten schon Sorge, dass das nicht nachhaltig sein könnte. Drei Jahre hat das schon gedauert. Erst vor eineinhalb Jahren haben wir uns daran gewöhnt, plötzlich eine große Band zu sein.
Was muss man als große Band beachten?
Lightbody: Es besteht ein gewisser Unterschied, ob du einen Gig oder eine Show spielst. Genau genommen besteht da sogar ein sehr großer Unterschied. Wir haben mit U2 getourt, das ist diesbezüglich die beste Schule, die du bekommen kannst. Sie schaffen es wirklich, auch in einem Stadion Nähe herzustellen, und Spannung. Es ist nicht so, dass wir sie kopieren wollen, aber ich denke, wir können uns da einiges abschauen. Im Übrigen haben wir auf dieser Tour auch gelernt, dass es verschiedene Levels von "großen Bands" gibt. Zwischen uns und U2, da ist schon noch eine Lücke. Wenn man die sieht, zweifelt man auch an seinen eigenen Fähigkeiten, aber darum geht es nicht. Man muss selbst erkennen, in welche Richtung man sich verändern muss, wie man auf das Publikum eingehen will.
Zuletzt wart Ihr Nummer eins der britischen Albumcharts. Gibt das Selbstvertrauen?
Lightbody: Ich glaube nicht. Nummer eins, das ist eine ganz schöne Ansage, die aber mit einem großen Problem verbunden ist: Besser kann's nicht werden. Man kann dann natürlich an irgendwelche Edelstahl-Einheiten denken, an Statussymbole und so. Aber das muss man sich verkneifen, irgendwann verkauft man wieder weniger Platten, und dann wird's deprimierend. Die Zahlen, das sind die Sachen, über die sich die Plattenfirma freut. Und das ist ja auch was (lacht). Uns muss es aber darum gehen, ein gutes Album abzuliefern. Selbst wenn du zehn Millionen Alben verkaufst, wenn du selbst die Platte tief im Herzen mies findest, bringt das dir gar nichts.
Wann habt Ihr Euch zum ersten Mal wie eine erfolgreiche Band gefühlt?
Lightbody (lacht): In tiefsten Jeepster-Zeiten, aber es war natürlich nur so eine Art riesengroßer Irrtum. Damals wollte uns Capitol Records USA groß rausbringen. Die flogen uns also nach Amerika rüber, und da ging's so richtig los. Wir in New York, was für uns großartig genug war. Und dann kamen die wirklich mit jedem Rockstar-Klischee an, das du dir vorstellen kannst. Am Flughafen wartete auf uns eine Stretch-Limousine, die uns zum Soho Grand Hotel brachte. Nicht einmal heute könnten wir uns das leisten! Am Abend drückte man uns VIP-Tickets für die Rolling Stones in die Hand, danach durften wir auf die Backstage-Party. Wir aßen in den besten Restaurants, Läden öffneten nur für uns.
Habt Ihr damals den Plattenvertrag bekommen?
Lightbody: Nein, natürlich nicht. Aber es war so bizarr genug. Ich war damals 20, und das war Fantasialand für mich. Wir waren gleichzeitig die kleinste und die größte Band der Welt. ~ Jochen Overbeck (teleschau)
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