So jung kommen wir nicht mehr zusammen
The Rasmus und die Melancholie des Alterns
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So jung kommen wir nicht mehr zusammen
The Rasmus und die Melancholie des Alterns
26.09.2008 Es wird dann doch unweigerlich zu einem gewissen Problem, wenn Teeniestars dem Alter ihrer Fans allzu deutlich entwachsen. Nicht dass The Rasmus heute einen besonders gesetzten Eindruck machten. Doch nach über zehn Jahren Bandgeschichte und sechs gemeinsamen Alben ist ein Hinterfragen grundsätzlicher Art vermutlich unvermeidlich. 2003 hatten die finnischen Dark-Rocker mit ihrem Album "Dead Letters" und der zugehörigen Erfolgssingle "In The Shadows" die Hitformel schon einmal entschlüsselt. Wenn man nun "Black Roses" hört, das die Plattenfirma etwas hysterisch als Hitalbum anpreist, noch bevor der erste Tonträger abgesetzt wurde, dann wird schon ersichtlich, mit welch professionellem Eifer versucht wurde, bewährte Mechanismen wieder greifen zu lassen.
Zumindest bei der griffigen Vorab-Single "Livin' In A World Without You" könnte die Rechnung noch einmal aufgehen. Doch von einer Rückkehr auf ausgetretene Pfade will man bei der Band gar nicht viel wissen. Auch den zurückliegenden Erfolg bewertet man mit einer seltsam kritischen Unschärfe: "Es war uns dieses Mal wichtig, uns ein wenig Zeit zwischen den Alben zu nehmen, neue Sichtweisen zu gewinnen", erklärt Sänger Lauri die ungewöhnlich lange Dauer, die für das neue Album aufgewendet wurde. "Uns kam es vor, als wären wir in einem bestimmten Image stecken geblieben, das ein bisschen die Kontrolle über die Band gewonnen hat. Nach dem ganzen Erfolg hat es wieder richtig Spaß gemacht, diese Platte aufzunehmen, weil wir uns dieses Mal alle Möglichkeiten offen gehalten, unterschiedliche Ideen kombiniert haben."
Schlagzeuger Aki stimmt dem zu: "Die Platte klingt wieder frisch. Unsere letzten drei Alben haben wir mit dem selben Team aufgenommen. Jetzt haben wir uns für einen neuen Produzenten entschieden." Der angesprochene Desmond Child hatte zuvor unter anderem mit glattgebürsteten Acts wie Bon Jovi und Ricky Martin gearbeitet. Doch sei er eben auch der Produzent von Alice Cooper und Poison gewesen, insistiert Lauri: Bands, für die sich The Rasmus schon immer haben begeistern können, und deren 80er-Stadion-Rock-Erbe auch stets in ihren Alben vernehmbar gewesen sei.
Aufgenommen wurde "Black Roses" unter anderem im Country-Mekka Nashville, wo man sich die Finnen jedoch eher schwerlich vorstellen kann. "Das war seltsam", versichert Lauri, "unter all den Cowboyhut-Trägern fühlten wir uns etwas deplatziert. Man geht in eine Bar, und alles, was man sieht, sind diese Hüte." Andererseits sei es aber auch sehr aufregend in Nashville gewesen, immerhin der drittgrößten Musikstadt in den USA: "Da passiert unheimlich viel, und davon haben wir in rund neun Wochen auch einiges mitgenommen."
So ungebremst The Rasmus um den Globus hetzen - Gitarrist Pauli lebt gar in Singapur -, ist ihnen ihre finnische Heimat, wo man immer noch Freunde aus Schultagen hat, extrem wichtig. "Man ist ein halbes Jahr weg, trifft seine alten Kumpels wieder, und es fühlt sich an, als hätte man sie zuletzt gestern gesehen", findet Aki. Bei all der tourbedingten Schnelllebigkeit bleibe man so auf dem viel zitierten Teppich, ergänzt Lauri.
Auch die Fanbasis unterscheidet sich daheim in Finnland doch merklich von der übrigen. Zum einen setzt sich die aus Jung und Alt zusammen, was angesichts der vielerorts dominanten Teenie-Euphorie um The Rasmus ja durchaus überraschend ist. Zum anderen hat die Fanverehrung daheim eine andere Qualität. "Wenn ich mir im Supermarkt eine Flasche Wasser kaufe, steht es hinterher in den Zeitungen", lacht Lauri: "Es ist halt ein kleines Land. Da hat man nicht viel, worüber man reden kann." Zu nervtötend gestalten sich die Heimataufenthalte dennoch nicht. Die Finnen seien einfach wahnsinnig schüchterne und freundliche Menschen. Kaum einer würde es einmal wagen, die Stars in ihrer Privatsphäre zu belästigen. Und wenn, dann überaus dezent.
Auch in der finnischen Musikszene fühlen sich The Rasmus pudelwohl. Durchaus stolz zeigt man sich, für den einen oder anderen Nachfolger die Tür geöffnet zu haben und stellt fest, dass es unter ihnen so etwas wie eine gemeinsame Fanbasis gibt. Für diese Pionierleistung haben sich The Rasmus allerdings auch seit jeher schwer ins Zeug gelegt. Mit 16 schmiss man die Schule und verurteilte sich somit ein Stück weit zum Erfolg. Dass der seit mehr als zehn Jahren anhält, ist durchaus bemerkenswert. Gerade das dezidiert junge Publikum, das die Band anspricht, ist nicht wenigen Teenie-Sensationen ebenso schnell abhandengekommen wie zuvor zugelaufen.
Dabei beruht die Verehrung ihrer jungen Fans durchaus auf Gegenseitigkeit. Lauri schätzt vor allem jenes unbändige Maß an Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit, das erwachsenen Hörern in der Regel abgeht: "Ich erinnere mich, dass ich mit 14 genauso leidenschaftlich Guns 'N Roses gehört habe. Ich wusste ganz genau, was ich mochte und genau, wer ich bin." Heute sei diese Leichtigkeit dahin. Da frage man sich schon manchmal, was in zehn Jahren sei oder ob man nochmal ein Konzert in Mexiko geben werde.
So schwelgt die Band in alten Erinnerungen. Etwa daran, dass man mit 15 Jahren Pfandflaschen sammelte, um die erste Maxi-Single zu finanzieren, oder heimlich nachts Konzertplakate an die Wände kleisterte. Wo die Promotion-Tour fürs neue Album genau hinführt, ob durch größere Hallen oder kleinere Clubs, ist noch unklar. Das hänge halt davon ab, wie sich die Platte verkauft, räumt Lauri ein. Und so wie er das sagt, klingt schon ein wenig Melancholie durch. Halb der unsicheren Zukunft geschuldet, halb der Erinnerung an die romantischen Anfangstage in Helsinki. Teenage dreams, so hard to beat. ~ Jens Szameit (teleschau)
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