Zurück zur Zeitlosigkeit
Star-Trompeter Till Brönner plädiert mit seinem neuen Album für mehr musikalische Substanz
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Zurück zur Zeitlosigkeit
Star-Trompeter Till Brönner plädiert mit seinem neuen Album für mehr musikalische Substanz
03.11.2010 Till Brönner ist der erfolgreichste deutsche Jazz-Trompeter aller Zeiten. Und ein Grenzgänger: Er spielte gemeinsam mit Jazz-Größen wie Dave Brubeck, Nils Landgren oder Klaus Doldinger, arbeitete aber auch mit den No Angels, Carla Bruni und Hildegard Knef. Und zwischen Pop und Jazz bewegt sich auch sein neues Album "At The End Of The Day": Brönner covert dort Songs von David Bowie, Human League und The Killers, aber eben auch Johann Sebastian Bach. Größte Überraschung dabei: Immer wieder legt er die Trompete weg, um selbst zu singen. Fast gleichzeitig erscheint sein Buch "Talking Jazz". Einem für ihn eher ungewohnten Publikum wurde er als Jury-Mitglied in der Castingshow "X-Factor" bekannt. Am Vormittag einer Live-Sendung war noch Platz in Brönners vollbepacktem Terminkalender. Im Hotelzimmer in Köln liegt die Trompete auf dem Sofa, und ein entspannter Till Brönner nimmt am Tisch Platz - es gibt einiges zu besprechen.
Haben Sie die Pop-Songs auf Ihrem neuen Album eigentlich in Ihrer Jugend gemocht? Es heißt, dass sie schon früh ein überzeugter Jazz-Fan waren ...
Till Brönner: Ja, das Album ist auch eine Auseinandersetzung mit meiner Biografie. In den 80er-Jahren, als ich zur Schule ging, wurde ich mit Musik konfrontiert, die mich so ganz und gar nicht in ihren Bann zog. Ich war damals eben ein totaler Jazz-Fan. Doch als ich auf diesem Gebiet den Punkt erreichte, an dem ich mich nach neuen Ufern umsah, um Jazz im Gesamtzusammenhang zu verstehen, verteufelte ich die Musik aus den 80er-Jahren nicht mehr. Schließlich war das etwas, das ja offenbar von Bestand war - eine Musik, die heute ihr berechtigtes Revival feiert.
Der Albumtitel ist also im übertragenen Sinne zu verstehen? "At The End Of The Day" - erst am Ende des Tages erkennt man, welche Musik Bestand hat?
Brönner: Genau. "At The End Of The Day" bedeutet ja auch "wenn man mal ehrlich ist" oder "unterm Strich". Also wofür lohnt es sich, musikalisch einzustehen? Wo ist musikalische Substanz entstanden? Und da lande ich logischerweise bei Bowie. Warum ist Substanz erhaben über all das, was wir so an temporären Projekten erleben? Ohne Namen zu nennen: Welche Band von denen, die gerade oben sind, wird in fünf Jahren noch da sein? Das ist die Message dieses Albums. Zurück zur Zeitlosigkeit. Mut haben, Dinge auch mal stehen zu lassen, ohne dass sie sofort gut gefunden werden.
Aber auch Sie mussten das erst lernen, oder? Sie sollen mal gesagt haben, dass sie Depeche Mode und U2 ganz fürchterlich fanden ...
Brönner: (lacht) Ja, die Betonung liegt auf der Vergangenheit. Songs aus der Ecke entfalten auf mich heute eine ganz andere Wirkung. Ich nehme jetzt die Texte wahr, die ich als Jazz-Musiker damals nur ganz selten mit einbezog.
Wie kam denn Ihr Umfeld in Ihrer Jugend mit Ihrer Jazz-Leidenschaft zurecht? Waren Sie ein Außenseiter?
Brönner: Es war sehr schwer. Gerade dann, als ich diesen verständlichen und altersbedingten Drang nach Gemeinschaft verspürte. Auf der anderen Seite war da natürlich meine Liebe zu dieser Musik, die so stark war. Wenn ich eins wusste, dann, dass die Musik mich nie wieder loslassen würde. Ich merkte: Es gibt wenige Dinge im Leben, die noch mal so eine Wirkung auf mich haben werden wie der Moment, in dem ich zum ersten Mal Charlie Parker hörte. Das war ein Kampf, diese Musik gegen den Geschmack meiner Klassenkameraden zu verteidigen - was oft genug nötig war. Es war ein Kampf, sie durchzuhalten, diese Zeit, die andere damals mit ihrer ersten Alkoholvergiftung verbrachten, im Übungskeller standen. Und es war auch schwer, auf Partys keine Musik wirklich gut zu finden und deswegen auch nicht unbedingt der totale Party-König zu sein. Auch Mädchen fanden das am Anfang erst mal nicht so dufte. Klar: Zu der Zeit war ich ein Außenseiter. Aber diese Zeit habe ich wunderbar überlebt. (lacht)
Es hieß, dass Sie sich zwei Tage lang Gedanken machten, ob sie den Job als Juror bei "X Factor" annehmen sollen. Hatten Sie Befürchtungen, ihr bisheriges Publikum damit vor den Kopf zu stoßen?
Brönner: Ja, natürlich. Ich glaube aber, dass diese Gefahr immer besteht. Was ich mir schon anhören musste, wie unverfroren ich sei, was ich mir erlaube. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich eigentlich eher dadurch provoziere, dass ich kaum provoziere. Ich hatte mir aber geschworen, bei "X Factor" nicht so zu sein, wie ich nicht bin. Wenn einer keine Lust hat, die Sendung einzuschalten, ist das für mich vollkommen in Ordnung. Aber jemand, der sie aus Neugierde schaut, oder weil er es doch nicht so bodenlos wie vergleichbare Formate findet, der wird vielleicht entdecken, dass ich dort wirklich so bin, wie ich bin.
Nämlich doch auch ein wenig Selbstdarsteller?
Brönner: Nein, das glaube ich nicht. Denn auch das Buch, das jetzt erscheint, ist kein Versuch, ungefragt irgendwas über mich zu verbreiten, das keiner wissen will. In meinem Buch kommt wahrscheinlich deutlicher als in jeder bisherigen Äußerung persönlicher Art rüber, wie ich über bestimmte Dinge denke - und dass es mir letztlich um Musik geht. Und wenn der eine oder andere bei "X Factor" auch sieht, dass mir die Musik am Herzen liegt, dann kann er sich eigentlich nur noch über meine Schuhe aufregen, die ich da trage.
Bei allen Stars, mit denen Sie bereits zusammenarbeiteten, gibt es da jemanden, der Sie besonders beeindruckt hat?
Brönner: Es gibt Gott sei Dank mehrere, die aber nicht vergleichbar sind. Wenn ich sie alle aufzählen würde, würden wir tatsächlich einerseits lange sitzen. Andererseits: Es gibt wirklich über jeden eine eigene Geschichte zu erzählen. Ray Brown, der großen Impressario von Quincy Jones, der Bassist im Oscar-Petersen-Trio, der mit Charlie Parker in diesem legendären Quintett gespielt hat - da läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter. Wenn ich mich daran erinnere, wie ich mit ihm in der Hotellobby saß und er mir mit so einem großen, breitkrempigen Havanna-Hut und einer Zigarre erzählte, wie es damals war mit Charlie Parker ... Da stockt mir heute noch das Blut in den Adern! Was für ein Moment das war!
Viele würden sicherlich auch gerne mal mit Hildegard Knef zusammengearbeitet haben ...
Brönner: Ja, sie war wahnsinnig interessant. Und das nicht, weil sie so bekannt war, sondern weil wir tatsächlich einen Draht zueinander hatten. Sie gab mir, quasi prophylaktisch, eine Menge über das Leben mit - das Leben aus ihrer Sicht. Ich lernte bei der Zusammenarbeit auch musikalisch viel. Welche Dinge von Bestand sind, warum Brüche in der Musik und in der Kunst so wichtig sind und was sie eigentlich bedeuten. Und wenn sich jemand mit Brüchen auskannte, dann war's Hildegard Knef. Auch mit gesundheitlichen Einbrüchen. Irgendwann stand ich da und dachte: Was soll denn schlimmer sein als die Krankheit? Denn die hat sie wirklich erlebt. Alles andere im Leben ist doch wirklich Kindergeburtstag. Hauptsache gesund, sagt man im Volksmund. Aber das ist die Wahrheit. Das habe ich durch Hildegard Knef gelernt. ~ Benjamin Weber (teleschau)
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