Von einem der auszog
Tomte-Sänger Thees Uhlmann sinniert erneut über Städte, das Alter und die Liebe
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Von einem der auszog
Tomte-Sänger Thees Uhlmann sinniert erneut über Städte, das Alter und die Liebe
10.10.2008 Thees Uhlmann sitzt in einem der letzten Kreuzberger Cafés, in denen man zurzeit noch rauchen darf. Es passt zu ihm und seiner Band Tomte, dass er sich zum Gespräch über ihr neues Album "Heureka" weder in einem schicken Hotel noch in einem keimbefreiten Besprechungskasten einer Plattenfirma verabredet, sondern hier an einem plüschigen Ort in ihrer neuen Heimatstadt Berlin.
Dass sich alles im Leben der vier Indie-Herren in und um Berlin dreht, wurde schon auf dem letzten Album "Buchstaben über der Stadt" immer wieder betont. "Ich kann hier einfach ganz anders leben, aber auch meine anderen Freunde, die Musik machen, haben hier viel mehr Möglichkeiten", sagt Thees Uhlmann, "Es ist billig, deswegen kommen die ganzen Kreativen und daraus entsteht diese ganz besondere Atmosphäre."
Trotzdem sind Tomte natürlich immer noch eine Band aus Hamburg. Das bestätigt auch Thees Uhlmann, der gerade von einem Konzert an der Nordseeküste zurückkommt, ein wenig wehmütig. Eine gewisse Sehnsucht ist da immer noch zu verspüren, obwohl sich die Band jahrelang gegen Szene-Schubladen wie "Hamburger Schule" und "Schanzensound" gewehrt hat. Auf "Heureka" lassen sich Tomte in zwei Stücken nun aber doch zu einem lockeren Bekenntnis zu "ihrer" Stadt hinreißen. Räumliche Distanz schafft ja bekanntlich nicht nur Wehmut, sondern auch eine gewisse Lockerheit. Und so ist "Wie sieht's aus in Hamburg" ein kritisches Liebeslied, "Der letzte große Wal" beschwört noch mal den Sound herauf, der seit den 90er-Jahren nicht nur sie selbst, sondern auch die Sterne, Tocotronic, Kettcar und andere bekannt gemacht hatte.
Doch während Thees Uhlmann sich in Ersterem noch zu einigermaßen klaren Aussagen hinreißen lässt, versucht er in "Der letzte große Wal" dem schrammeligen Grungesound adoleszente Lyrikgedanken entgegenzusetzen. Überhaupt besinnen sich Tomte auf ihrem neuen Album "Heureka" auf ihre Vergangenheit sowie die Art von Indierock, die sich groß machte. Auch wenn auch die Texte erwachsener und die Produktion natürlich professioneller geworden sind. Geholfen wurde ihnen dabei von Torsten Otto und Tobias Kuhn, die das Album in Berlin produziert haben. Thees Uhlmann erzählt begeistert von der Zusammenarbeit: "Das hat einfach gepasst. Tobias hat nicht nur genau gewusst, was wir wollen und uns geholfen das umzusetzen, er ist auch ein guter Freund geworden. Wir telefonieren immer noch und setzen unsere Gespräche fort."
Leider gab es aber auch mal wieder eine Änderung in der Besetzung: Statt Olli Koch spielt jetzt Nikolai Potthoff Bass. Olli Kochs Hand schwoll regelmäßig beim Spielen an, bis zum Punkt, als gar nichts mehr ging. So traurig das für Uhlmann ist, versichert er, dass Koch weiterhin für Tomte arbeiten wird und auch Potthoff ist kein Unbekannter; er hatte früher Tomte live auf der Bühne verstärkt. Von der Urbesetzung ist inzwischen tatsächlich nur noch Thees Uhlmann übrig. Er ist und bleibt das Gesicht der Band. Deren Bild sich ansonsten - nicht nur wegen der Personalwechsel - über die Jahre stark geändert hat. Von Indie-Heroen, die in den 90-ern von Popkulturmagazinen geliebt wurden, wurden Tomte zu einer Band, die durch Uhlmanns teilweise krawallige Interviews, die Beziehung des Schlagzeugers Max Schröder mit der Schauspielerin Heike Makatsch und den Film "Keine Lieder über Liebe", in dem sie die Band von Jürgen Vogel spielten, einer breiteren Masse bekannt wurde.
Allerdings scheint für Uhlmann nicht das Interesse am Privatleben, sondern das Älterwerden im Rock ein größeres Thema zu sein. Nicht nur auf der Platte, sondern auch im Gespräch taucht immer wieder die Frage auf, wie man den Widerspruch lösen, diese Aufgabe meistern könnte. Zum einen mehr Verantwortung für das eigene Leben und das seiner Nächsten zu übernehmen. Zum anderen trotzdem auf die Weise zu leben, für die man sich mal entschieden hat, nicht den Gedanken aufgeben zu müssen, Rocker zu sein. Folglich sind die Uhlmanns Texte auf "Heureka" weniger eindeutig als auf den Vorgängerplatten. Selten lässt er sich zu klaren Aussagen hinreißen, was dann in den Liedern selbst manchmal zu wahrhaft lyrischen Momenten, oft aber bloß zu Hohlphrasen gerinnt. Vielleicht hat die Band versucht diesen Widerspruch zu lösen, indem sie sich im Proberaum voller Nostalgie altbackene Rockerphrasen zurief. Das albumbetitelnde "Heureka" jedenfalls gehörte immer wieder dazu, erzählt Uhlmann. Diese augenzwinkernde Euphorie vermisst man auf dem Album ein wenig.
Tomte wirklich zu verstehen, ist aber auch noch nie einfach gewesen. Und auf "Heureka" zeigt sich die Band noch dazu zwischen Befindlichkeiten gefangen. Soll man nun erwachsen sein oder doch weiterhin der Unbeschwertheit der Jugend nachjagen? Eine Vermittlung oder Verbindung der beiden Positionen durch die Musik findet leider nicht statt, sie bleiben jeweils für sich stehen - und erstarren. Immer wieder verhaspelt sich Uhlmann in lyrischer Beliebigkeit und den alten Parolen, denen aber leider die Präzision ihrer früheren Hits fehlt.
Dennoch: Ihre Anhänger werden "Heureka" lieben, ihre Kritiker weiterhin die Band leidenschaftlich ablehnen. Thees Uhlmann sieht es mittlerweile sportlich, schließlich er ist erwachsen geworden und muss nicht mehr die öde Krawalligkeit seiner einstigen Vorbilder, den Oasis-Brüdern, imitieren. Er bleibt lieber noch ein wenig bei Kippen und Biolimo auf dem Sofa sitzen und wartet freundlich und gelassen auf das nächste Interview. ~ Nina Scholz (teleschau)
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