Tori Amos

Die Verletzlichkeit der Mutter


Tori Amos sucht die Frau hinter der Mutter

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Die Verletzlichkeit der Mutter

Tori Amos sucht die Frau hinter der Mutter

15.05.2009 Tori Amos ist sehr dünn, sie lässt sich eine Jacke reichen bei sommerlichen Temperaturen. Ihre Haut ist glatt, glatter als vor zehn Jahren, der Lipgloss leuchtet. Optisch zogen die Jahre an ihr vorbei. Doch das zehnte Studioalbum, "Abnormally Attracted To Sin", führte Tori Amos zurück in die Obhut ihres ehemaligen Mentors Doug Morris, einem nicht unwichtigen Mann bei Universal Music, der sie Anfang der Neunziger an die Hand nahm. Diesen Zufall beleuchtet die 45-jährige Musikerin auf ihrem neuesten Werk ebenso wie das Selbstverständnis der Frau, wenn sie zur Mutter wird. Eine Aufgabe, der Amos selbst seit mehr als acht Jahren nachkommt. Und die die Sängerin, wie schon in der Vergangenheit, in ihren Songs aufarbeitet, genauso wie Depressionen, konservative Verhältnisse, Terroranschläge oder Fehlgeburten.

Wenn so ein Zufall passiert wie mit Doug Morris, ein Mann auftaucht, den man 14 Jahre lang nicht gesprochen hat, macht Ihnen das bewusst, wie die Zeit vergeht?

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Tori Amos: Ja. Ihn wiederzusehen ist einerseits ein Gespräch zu Ende zu führen, das mal angefangen wurde. Andererseits haben die 14 Jahre uns verändert. Wir sind, da es lange her ist, nicht in alte Muster zurückgefallen, das war wichtig für unsere erneute Beziehung, obwohl er noch mein Mentor ist. Er hat in der Zwischenzeit viele Berge bestiegen, wie ich auch. Dadurch haben wir eine andere Aussicht, mehr Überblick als damals.

Ihr Verhältnis und das Geschäftsleben in der Musikindustrie generell ist nicht immer von Harmonie geprägt. Mittlerweile sagen Sie: Das, was passiert, ist nicht steuerbar, aber meine Reaktionen sind es.

Amos: Das hängt vom jeweiligen Tag ab, davon, wie offen meine Chakras sind, ob ich mir meines Potenzials bewusst bin - es geht immer darum, die Optionen wahrzunehmen, statt sich gefangen zu fühlen in einer komplizierten Welt. Um nicht davon paralysiert und verwirrt zu sein, muss ich sehr stark an mir arbeiten.

Wie tun Sie das?

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Amos: Manche Menschen laufen, ich mache andere Dinge, habe meinen Weg, etwas alleine zu tun, alleine zu sitzen. Es ist ähnlich der Meditation.

Klappt das immer oder muss man manchmal einsehen, dass man besser schlafen geht und am nächsten Tag weiterführt, was nicht zu Ende zu bringen war?

Amos: Genau dies beinhaltet meine Methode. Den Kopf nicht ewig gegen die Wand zu schlagen, sondern sich selbst zu sagen: Ich habe alles getan, was mir heute möglich war, jetzt lehne ich mich zurück und schalte um oder ab. Wenn du keine Lösung findest, musst du einen Schritt zurücktreten, um deine Neutralität wiederzuerlangen, alles aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Beinhaltet ein anderer Blickwinkel auch eine neue Perspektive auf sich selbst, also zum Beispiel weg von der Mutter hin zur Frau, die man auch ist?

Amos: (lange Pause) Eine Mutter ist verletzlich, weil sie die ernährende, in der Verantwortung stehende Krankenschwester ist, der Mensch, der alle Antworten hat, die unerschöpfliche Quelle. Manchmal kann all dein Geben kein Problem lösen. Das gibt dir ein hilfloses Gefühl von Schwäche, dennoch hast du nicht die Zutaten, dem anderen Menschen jetzt zu helfen. Genau sie fehlen in deinem Notfallkoffer - ob sie nun intellektueller oder emotionaler Natur sind. Du kannst deine Hand nicht über den geliebten Menschen halten, so gerne du es wolltest. Diese Momente, Tage, Wochen und Monate, in denen du keine Veränderung erreichst, musst du überstehen, ohne destruktiv zu werden.

Was, je länger dieser Zustand dauert, sicher nicht einfach ist.

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Amos: Während andere in einer Depression feststecken, musst du dich aus dieser Situation herausziehen. Mütter reichen immer die helfende Hand, doch wer reicht ihnen diese Hand? "Maybe California", einer meiner neuen Songs, soll diese Hand sein.

Trotzdem ist es sicher eine traurige, schwer zu verdauende Erkenntnis, das nicht für sein Kind leisten zu können, was man möchte, oder?

Amos: Ja, das beschränkt sich aber nicht auf das Kind, das gilt auch für den Mann. Für die, die nur noch zur Arbeit marschieren, um dort zu funktionieren. Die Ehe gerät ins Wanken, die Frau und Mutter als diejenige, die versucht, die Familie zusammenzuhalten, wird als Bedrohung empfunden. Das hat Konsequenzen, deren Erörterung sehr viel emotionale Intelligenz braucht. Oft können Frauen in diesem Fall nichts tun. Der Mann ohne Selbstwertgefühl sucht sein Glück woanders.

Wo er es vielleicht für eine Weile findet ...

Amos: Sagen wir es so, er findet etwas, für eine Weile (lächelt). Doch das ist die Tragödie, die Tragödie dieser Frau, die sich zurücknimmt, und doch nicht in der Lage ist, den Jetzt-Zustand zu retten. Opfer bringen kann eine schlechte Sache sein.

Ist Egoismus in diesem Zusammenhang als etwas Gutes zu beurteilen?

Amos: Wenn man ihn so definiert: Die Mutter muss auch die Frau in sich selbst suchen. Dieses Album handelt von der Mutter, die sich mit Punkten wie Erotik beschäftigt.

Eigenartig, wenn man Ihre Songs hört und Ihre Texte liest, meint man, sie seien eine Frau ohne Geheimnisse, da Sie alles in den Liedern verarbeiten.

Amos: Das sehe ich auch so. Aber es gibt Menschen, Journalisten, die Details von mir hören wollen, die ich nicht gebe. Oder wie mein Mann Mark sagt: "Die Songs sind etwas zwischen meiner Frau und ihr." Da ist eine Linie, die er nicht überschreiten wird, geschweige denn andere. Details sind komplex, die bleiben mein Geheimnis.

Diese Ehrlichkeit empfinden Menschen immer wieder als Provokation.

Amos: Ich kann das verstehen, auch wenn ich nicht verstehe, warum. Warum kann eine neue Information nichts Gutes bedeuten? Doch da wird lieber abgeblockt, bloß nicht hinsehen (hält ihre Hand wie zum Schutz vor Sonne an die Seite ihres Gesichts). Warum sie so erschrecken, ist schwer zu klären, denn manche wissen ja nicht mal, warum sie dieses Gefühl haben. Dabei wäre so ein Song ein Angebot, sich mit jemandem zusammen in den Käfig der Seele zu wagen. Dort lauert nicht nur Gefahr, sondern auch flüssiges Gold.

Wieso sehen Sie die Dinge so klar?

Amos: Ich bin nicht mehr verführbar von Materiellem, also bin ich in der Lage, Reichtum neu zu definieren. Es geht nicht darum, sich von allem geliebten Spielzeug zu befreien. Du kannst die Handschellen weiter tragen, du solltest nur wissen, wer den Schlüssel in der Hand hält - der solltest immer du selbst sein. ~ Claudia Nitsche (teleschau)


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