"Rock'n'Roll forever, forever and forever"
Die Scorpions verkünden ihren Abschied nach 45 Jahren Bandgeschichte
Aktueller Artikel im akuma.de Magazin zu Scorpions
» Übersicht von Scorpions anzeigen
"Rock'n'Roll forever, forever and forever"
Die Scorpions verkünden ihren Abschied nach 45 Jahren Bandgeschichte
25.03.2010 Ein wenig überraschend kam die Ankündigung schon: Noch letztes Jahr hatten die Scorpions im Zuge der Verleihung des "Echo" für ihr Lebenswerk alles andere als amtsmüde geklungen. Sänger Klaus Meine verkündete gar in einem Interview, dass man sich "noch auf viele Rock'n'Roll-Abenteuer in der weiten Welt" freue. Und dann Ende Januar die Meldung: Mit "Sting In The Tail" erscheint das letzte Album der Rock-Institution, nach einer dreijährigen Welttournee ist endgültig Schluss. Endgültig? Nun, ganz stillhalten wollen und können die Hannoveraner wohl auch in Zukunft nicht. Eine gewisse Erleichterung über das Bandende ist dennoch im Gespräch mit Klaus Meine (61), Bandgründer Rudolf Schenker (61) und Gitarrist Matthias Jabs (54) zu spüren.
Auch wenn noch nicht feststeht, wann und wo Sie Ihr letztes Konzert geben: Was glauben Sie passiert am ersten Tag nach dem endgültigen Abschied?
Matthias Jabs: Da fahren wir nach Hause.
Klaus Meine: Wir werden einmal tief durchatmen.
Haben Sie Angst vor diesem Moment?
Rudolf Schenker: Angst? Nein. Wir freuen uns auf diese Platte und auch die letzte Tournee. Und dadurch, dass die Leute wissen, dass danach Schluss ist, werden sich sicher viele neue Möglichkeiten bieten. Es wäre ja schlimm, wenn wir sagen, ich mach' jetzt mal ganz Schluss. Ist ja bei uns nicht so. Wir haben uns nicht vorgenommen, Golf spielen zu gehen. Wir haben durch unsere Erfahrung weltweit mit der Musik auch vom Horizont her eine große Bandbreite. Das ist nicht nur Musik, es gibt viele andere Dinge, die uns beschäftigen. Aber es ist natürlich auch klar, dass wir am Schluss sagen werden: Oh Scheiße ...
Meine: Das wird sicher auch emotional und traurig. Denn das ist ja nicht weniger als unser gesamtes musikalisches Leben. Aber wenn man am Ende zurückblicken kann und das Buch dann zuklappt, dann ist das ja auch ein gutes Gefühl. Wir müssen ja dieses Ziel, das wir uns gesetzt haben, jetzt erst einmal erreichen. Ist ja noch eine ganze Strecke, die vor uns liegt. Und insofern ist klar: Jetzt überwiegt die Euphorie, neues Album, neue Tour, und wir sind so aufgeregt wie immer. Bis jetzt hat sich ja nicht viel geändert. Dieses Gefühl, dass sich dann nach und nach einstellen wird, das kennen wir ja bislang nicht. Aber wir gaben uns in all den Jahren nie eine Auszeit. Jetzt ist es sicherlich ein guter Zeitpunkt, um die Möglichkeit zu haben, diese Karriere "on top of the game" zu beenden.
Jabs: Wir haben viel Erfahrung. Nur nicht darin aufzuhören.
Sie sprachen davon, sich keine Auszeiten gegönnt zu haben. Haben Sie das Gefühl, dass irgendetwas zu kurz gekommen ist?
Meine: Die Familie kommt sicherlich generell zu kurz bei so einer Bandgeschichte. Man kann froh sein, wenn man einen starken Partner an seiner Seite hat, der einen trägt und supportet. Es betrifft uns ja alle: Familie muss sicherlich immer hinter einer Tour oder einer Platte zurückstehen. Denn wir können ja nicht planen und sagen: Ach Mensch, wär ja schön, im Sommer einen schönen Urlaub zu machen! Diese Planungen gibt es für uns in der Regel nicht. Weil wir garantiert wieder unterwegs sind und irgendwo auf der Bühne stehen. Wenn wir irgendwann den Druck da rausnehmen, können wir privat sicher ein bisschen besser planen. Und vielleicht gehe ich ja dreimal die Woche ins Fitnessstudio.
Wann wäre der Abschied unwürdig gewesen?
Schenker: Das wäre in dem Augenblick der Fall gewesen, wenn wir ein schlechtes Album gemacht hätten. Oder wenn wir auf die Bühne gehen würden, uns nicht mehr bewegen können, einfach dastehen, ein bisschen dickbäuchig und einer hat vielleicht noch einen Stock in der Hand - mal ganz extrem formuliert. Wenn die Leute da unten stehen und sagen: Mensch, das war damals schön, die Scorpions ...
Meine: Kann jemand mal Rudolf Schenker auf die Bühne helfen? (lacht)
Schenker: Unwürdig wäre es, wenn keine "attitude" mehr da ist und die Band ein gewisses Image nicht mehr widerspiegelt.
Meine: Wichtig ist, dass eine Ausstrahlung, die von einer Band kommt, in sich funktioniert. Bei uns - auch zusammen mit unserem amerikanischen Schlagzeuger und polnischen Bassisten, die natürlich noch ein paar Jährchen jünger sind - hat die gesamte Band noch Ausstrahlung. Aber wenn die nicht mehr da ist, weil aus verschiedensten Gründen die Motivation fehlt, dann spüren das die Leute, die vor der Bühne stehen, sofort.
Schenker: Jetzt sind wir noch in der Lage zu entscheiden, wann es zu Ende geht. Und das haben wir getan.
Der erste Anstoß dazu kam allerdings von Ihrem Manager ...
Jabs: Der kann eigentlich auch nur von außen kommen. So eine Überlegung würde man ja selbst nicht anstellen. Da muss jemand mit Distanz rangehen.
Meine: Wir vertreten ja immer die Philosophie: Rock'n'Roll forever, forever and forever. Unser Manager ist jemand, der unsere gesamte Karriere begleitet hat und das sicherlich auch gut beurteilen kann. Deswegen setzten wir uns intensiv mit dem Gedanken auseinander. Es gab auch keine Entscheidung zwei zu eins oder so. Niemand hat gesagt: Diese Entscheidung kann ich nicht mittragen.
Spielte bei den Überlegungen vielleicht auch eine Rolle, dass Sie sich gefragt haben, was Sie überhaupt noch erreichen können?
Meine: Ein bisschen ...
Schenker (fährt dazwischen): Nein, Klaus ... Der entscheidende Punkt ist doch, dass wir nicht mehr das "delivern" können, was wir wollen. Und das Problem siehst du ja bei vielen Künstlern: Wenn sie über die Grenze hinausgehen, dann verlieren sie.
Jabs: Deep Purple etwa werden sich ärgern, dass sie diesen Entschluss nicht auch gefasst haben. Und einige andere ...
Obwohl der Entschluss aufzuhören erst nach den Aufnahmen zum neuen Album gefällt wurde, "Sting In The Tail" klingt nach einer Band, die sich noch einmal beweisen will ...
Meine: Auf jeden Fall. Das ist ein Weg, den wir so ungefähr 2004 einschlugen. Da schwingt natürlich auch eine Reaktion auf eine ganze Zeit mit, in der zum einen viele bei uns eine gewisse Überpräsenz in Deutschland feststellten, zum anderen aber eine Unterpräsenz im Live-Bereich. Und in der vielleicht die Hardcore-Rockfans uns nicht mehr so richtig einordnen konnten. Dieses Album legt nochmal ordentlich eins drauf. Jeder weiß, was ihn erwartet, wenn die Scorpions live spielen.
"The Good Die Young" widmen Sie "allen Menschen, die für Frieden und Freiheit einstehen". Wer hat Sie diesbezüglich zuletzt am meisten bewegt?
Meine: Sagen wir mal so: Ich hatte neulich ein Gespräch mit jemandem, der nach Afghanistan gegangen ist. Wir unterhielten uns: Was machst du? Ich gehe demnächst auf eine Welttournee. Und du? Ich gehe demnächst nach Afghanistan für sechs, sieben, acht Monate. Da schwang in den Worten schon das Gefühl mit: Ich hoffe, alles geht gut. Und wir sehen uns heil und gesund wieder.
Ein Soldat?
Meine: Ich will keine Namen nennen, aber ja, er kam aus dem militärischen Bereich. Ich meine, das sind die Bilder, die wir jeden Tag sehen aus all diesen Krisengebieten. Und wenn du dann so etwas hörst, dein eigenes Leben siehst und daran denkst, was andere Menschen für Herausforderungen vor sich haben, dann ist das sicherlich etwas, das auch in diesen Song mit eingeflossen ist. Aber ich will das gar nicht so fokussieren. Ich widme den Song allen Menschen, die für Frieden und Freiheit einstehen, sich dafür einsetzen. Das bringt es am besten auf den Punkt. Aber wir machen uns eben Gedanken. Denn dass wir alle hier in Frieden und Freiheit leben können, heißt eben auch, dass es an anderer Stelle Menschen gibt, die dafür ihren Kopf hinhalten.
In einem anderen Song geht es um die alte deutsche Sage von der "Lorelei", die mit ihrem Gesang verführte. Gibt es etwas, von dem Sie sich verführen lassen?
Meine: Wir lassen uns jeden Tag neu von Dingen verführen, die auf uns einströmen. Vom Leben, von Emotionen. Wir lassen uns von einer tiefen Inspiration verführen, wieder so ein Album zu schreiben. Und in dem Fall haben uns die Fans verführt, wieder an etwas heranzugehen, was viele schon verschüttet geglaubt haben.
Eigentlich war die Frage natürlich auch in Richtung Laster gedacht ...
Meine: Das ist die hohe Schule der Diplomatie. (grinst)
Dann anders gefragt: Wie wichtig ist Disziplin für die Scorpions?
Meine: Das ist ein hässliches Wort im Zusammenhang mit Rock'n'Roll ...
Schenker: Konzentration ist das bessere Wort. Es ist schließlich eher so, dass du die Vorstellung zur Wahrheit werden lassen willst. Dass da ein Sog ist, der dich darauf hinarbeiten lässt. Das ist keine Disziplin, das ist die Kraft, geistige Vorstellung in Materie umzusetzen.
Sie wirken alle sehr fit, bereit für die anstehende Tournee. Gibt's trotzdem irgendwelche Zipperlein, die Sie plagen?
Meine: Ja, mein Tinnitus. Aber schon seit vielen Jahren. Wenn's danach ginge, hätte ich schon vor zehn Jahren aufhören müssen. Ich denke, es gibt wenige Rockmusiker, die 30, 40 Jahre Rockmusikgeschichte überlebt haben und ohne Tinnitus davongekommen sind. Es gibt viele, auch Bekannte, die das öffentlich machten, Pete Townshend etwa. Du stehst halt jeden Abend auf der Bühne neben einem startenden Jet. Das Ohr ist nun mal ein sensibles Organ. Ich glaube, ich würde heute viel dafür geben, wenn ich noch einmal totale Stille erleben könnte. Steven Tyler hat es, glaube ich, in seiner Biografie geschrieben. Die Überschrift dort ist genial: "Does The Noise In My Head Bother You?"
Schenker: Das ist geil! (lacht)
Mal vom ohrenbetäubenden Lärm auf der Bühne abgesehen ... Was werden Sie am wenigsten am Leben mit den Scorpions vermissen?
Meine: Endlose lange Busfahrten. Wir haben ja jetzt wieder eine USA-Tour vor uns im Sommer. Wobei wir natürlich auch voller Begeisterung in den Tourbus einsteigen. Die sind ja mittlerweise auch recht luxuriös. Klar, von der romantischen Seite aus betrachtet, gibt's nichts Schöneres, als Amerika vom Tourbus aus zu erleben. Diese nächtlichen Fahrten nach den Shows ...
Schenker: Und es ist besser als das beschissene Fliegen, bei dem man immer andauernd auseinandergenommen wird ...
Meine: Ja, richtig. Aber wir können jetzt sagen: Wir sind lange genug Bus gefahren!
Scorpions auf Deutschlandtournee
07.05., Leipzig, Arena
08.05., München, Olympiahalle
12.05., Frankfurt, Festhalle
14.05., Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
29.05., Berlin, O2 World
30.05., Zwickau, Stadthalle
01.06., Hannover, TUI Arena
12.06., Recklinghausen, Stadtgarten am Festspielhaus
12.11., Mannheim, SAP Arena
13.11., Köln, Lanxess Arena
19.11., Hamburg, Color Line Arena ~ Stefan Weber (teleschau)
Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Scorpions
"Rock'n'Roll forever, forever and forever" Die Scorpions verkünden ihren Abschied nach 45 Jahren Bandgeschichte
Ein wenig überraschend kam die Ankündigung schon: Noch letztes Jahr hatten die Scorpions im Zuge der Verleihung des "Echo" für ihr Lebenswerk alles andere als amtsmüde geklungen. Sänger Klaus Meine verkündete gar in einem Interview, dass man sich "noch auf viele Rock'n'Roll-Abenteuer in der weiten Welt" freue. Und dann Ende Januar die Meldung: Mit "Sting In The Tail" erscheint das letzte Album der Rock-Institution, nach einer dreijährigen Welttournee ist endgültig Schluss. Endgültig?... mehr »
Weitere Meldungen zu Scorpions
- 22.03.2010: Scorpions auf Deutschlandtournee
- 29.01.2010: Die Scorpions verkriechen sich
- 26.01.2010: Die Scorpions machen Schluß!
- 18.11.2009: Scorpions engagieren sich für Umweltschutz!
- 06.02.2009: "Echo" für das Lebenswerk geht an die Scorpions
- 12.12.2008: Scorpions-Albumcover soll auf den Index