Dankbar für den Hass
Tokio Hotel bleiben auch mit ihrem dritten Album "Humanoid" Ziel des Hasses und der Verehrung
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Dankbar für den Hass
Tokio Hotel bleiben auch mit ihrem dritten Album "Humanoid" Ziel des Hasses und der Verehrung
02.10.2009 Kreischfaktor 100 Prozent - wahrscheinlich keinem anderen Album fiebern die deutschen Fans derzeit derart entgegen wie dem dritten Werk der Magdeburger Megastars Tokio Hotel. Wobei ihre Lieblinge mittlerweile global und in ganz anderen Kategorien denken: Nach "Schrei" und "Zimmer 483" macht sich das Quartett mit "Humanoid" auf, den internationalen Markt kräftig aufzumischen. Die Zwillinge, Sänger Bill und Gitarrist Tom Kaulitz, die Anfang September ihren 20. Geburtstag feierten, sind bester Dinge, dass ihnen das auch gelingen wird. Und reden im Interview über Freiheiten, die Weisheit des Alters und den Hass, der ihnen teilweise entgegenschlägt.
Ihr veröffentlicht Euer Album auch auf Englisch. Habt ihr diesmal also vor allem den internationalen Durchbruch im Blick?
Bill Kaulitz: Wir haben ja schon die Songs des letzten Albums später auf Englisch produziert, insofern war das jetzt nicht neu für uns. Aber es stimmt schon, wir haben es diesmal von vornherein so geplant, dass es jeden Song auch auf Englisch geben sollte, und so haben wir auch geschrieben. Das war eine Menge Arbeit.
Eigentlich müsstet Ihr ja gar nicht mehr auf Englisch singen, oder? Eure Fans im Ausland belegen an den Schulen wegen Euch doch sowieso schon Deutschkurse ...
Bill: Ja, das ist schon cool! Aber es war ja schon immer unser Langzeitziel, mit unserem Produzententeam eine internationale Karriere aufzubauen. Wir wollen einfach, dass jeder überall auf der Welt unsere Songs verstehen kann.
Ihr habt ein Jahr lang an den neuen Songs gebastelt. Es heißt, das habe so lange gedauert, weil Bill in seinen Taschen ständig längst vergessene Notizzettel mit Songideen findet, die Ihr dann ausprobiert ...
Tom Kaulitz: Die Produktion hat so lange gedauert, weil wir einfach eine Menge Ideen hatten. Es gab verschiedene Demos, zu denen Bill gesungen hat. Und wenn man eine neue Idee gefunden hat, wurde die halt ausprobiert.
Bill: Ich habe immer einen unglaublichen Haufen Zettel in meinen Taschen, auf denen alle möglichen Ideen gekritzelt sind. Das ist immer ein totales Chaos. Aber ich komm damit klar.
Zettel? Ihr seid doch die digitale Generation, die Notizen eher ins Handy hackt?
Bill: Ja, das Handy nimmt man auch schon mal zur Not. Und klar, hab ich die meisten Ideen auf dem Computer. Aber am schnellsten geht das echt, wenn man eine Idee aufschreibt, wenn einem unterwegs mal was in den Kopf kommt, oder so.
Für den Videodreh zur Single "Automatisch" seid Ihr nach Südafrika gereist und dort in teuren Sportwagen herumgeheizt. Ein Traum?
Tom: Ja, das stimmt. Das war schon ziemlich cool. Den Führerschein haben wir ja jetzt schon ziemlich lang - okay - Gustav hat seinen schon wieder verloren (beide lachen) - aber Autofahren ist schon eine total coole Sache. Denn es ist immer so viel los bei uns, da ist das so ein kleines Stückchen Freiheit. Wenn man allein im Auto sitzt und herumdüst, ist man mal wirklich nur für sich und kann das total genießen. Das ist schon eine enorme Freiheit.
Ein Teil Eures Erfolgs basiert auf Eurem Look. Bill, Du hast Dich unlängst von Modezar Karl Lagerfeld fotografieren lassen. Ist es nicht krass, wenn jemand, der Dein Großvater sein könnte, Deinen Look gut findet?
Bill: Überhaupt nicht! Im Gegenteil. Seit wir 15 sind, arbeiten wir mit Leuten in unserem Umfeld zusammen, die viel älter sind als wir. Das ist für uns ganz natürlich. Und auch ziemlich cool, denn dadurch lernt man mal ganz andere Sichtweisen kennen. Ich bin jedenfalls sehr stolz darauf, dass jemand wie Karl Lagerfeld das gemacht hat.
Ihr habt Euren 20. Geburtstag im Heidepark Soltau gefeiert, wolltet aber ursprünglich "ein Kaffeekränzchen mit 60-Jährigen" abhalten. Ein Scherz, oder?
Bill: Nein, echt nicht. Im Gegenteil, wir finden es cool mit älteren Menschen zu reden, weil da immer ganz andere Themen angesagt sind, als über die man sich sonst mit Gleichaltrigen unterhält. Deswegen haben wir das auch mit Ingrid und Klaus gemacht - du kennst die aus dem Fernsehen, oder?
Dieses Rentner-Pärchen aus "TV total"?
Bill: Genau. Die da immer alles kommentieren. Mit denen Kaffee zu trinken und über alle möglichen Sachen zu plaudern, war sogar ziemlich interessant.
Über welche Themen denn?
Bill: (grinst) Tja, das kann man ja dann bei MTV und VIVA sehen!
Ihr habt inzwischen aber auch die Kehrseite des Ruhms kennengelernt: Es gab aufdringliche Fans, Ihr musstet mehrfach umziehen, dann Toms Rangelei an der Tankstelle und die Schlägerattacke gegen Gustav. Eine Menge unschöner Schlagzeilen.
Bill: Es gibt eben auch ganz viele Leute da draußen, die uns hassen. Darüber waren wir uns immer bewusst. Außerdem kennen wir das schon aus unserer Jugendzeit. Tom und ich wurden mit neun Jahren schon angegriffen und hatten Ärger mit 1.000 Leuten, die uns hassten. Und wenn man erfolgreich ist, wird man halt auch automatisch gehasst. Bei uns passiert das jetzt in einem noch größeren Rahmen. Aber das macht es eben auch zu dem, was es ist, und das macht das Ganze ja auch so besonders. Eigentlich bin ich ganz dankbar, dass es so viele Leute gibt, die so negativ auf uns reagieren.
Tom: Solange man solche Emotionen bei Leuten auslösen kann, muss man sich keine Sorgen machen. ~ Stefan Woldach (teleschau)
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