Alles macht weiter
Die besten Alben des Jahres 2009
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Alles macht weiter
Die besten Alben des Jahres 2009
05.01.2010 "Crisis? What Crisis?", fragten Supertramp per Albumtitel bereits 1975. Wenn man so will, auch ein Motto für den Pop des von Auguren schon früh herbeigeredeten (oder gar -gesehnten?) Krisenjahres 2009. Denn von den auch schon zuvor schlechten Absatzzahlen der Plattenfirmen mal abgesehen, schlug sich die Weltwirtschaftskrise - rein musikalisch gesehen - nicht merklich wieder. Wenn überhaupt, dann vielleicht in einer Art Trotzreaktion - gemäß dem Motto: Alles macht weiter. Und dabei konnten gerade alt gediente und verdiente Acts mehr als nur überzeugen.
1. Depeche Mode "Sounds Of The Universe"
Vom Comeback des Jahres zu sprechen, wäre wohl zu viel des Guten. Weg waren Depeche Mode nie, veröffentlichten konstant Alben, füllten die größten Hallen. Dennoch: Mit "Sounds Of The Universe" gelang dem Trio ein erstaunlicher Coup. Bewaffnet mit einer Armada von uralten analogen Klangerzeugern, reiste der erfolgreichste Elektro-Pop-Act aller Zeiten zurück in die (eigene) Zukunft. Seelenreicher Gospel trifft auf hymnische Synthies, metallischer Industrial auf avantgardistische Klangteppiche, düsterer Ambient-Pop auf verspielte Acht-Bit-Computersounds. Und über allem schwebt Dave Gahans würdevoller Gesang. Wenn man so will: ein Best-Of-Album ohne alte Greatest, dafür mit neuen Hits.
2. Animal Collective "Merriweather Post Pavillion"
Gut informierte Kreise raunten sich den Namen ja schon länger zu, mit ihrem neunten Album "Merriweather Post Pavillion" konnte man das tierische Kollektiv aber nicht länger überhören. Und durfte sich trotzdem fragen, von woher diese Musik kommt: aus dem reichen Melodienschatz des Folk? Den Archiven von Beach Boy Brian Wilson? Oder doch aus der Erkenntnis ewiger Harmonie eines sich ausdehnenden (Klang-)Universums? Auch egal, himmlischer und versponnener, durch ständige Repetition und steten Rhythmus aber auch geerdeter, war Popmusik 2009 nirgendwo sonst.
3. Bob Dylan "Together Through Life"
Dass seine Reise ins "Winter Wonderland" - genau genommen sein gesamtes Weihnachtsalbum "Christmas In My Heart" - nicht über jeden Zweifel erhaben ist, darf man fast mit Erleichterung feststellen. Denn wie unaufgeregt, altersmilde und dennoch mit sicherem Blick für Details Bob Dylan seine scheinbare endlose Spurensuche im Herzland von US-Americana auf "Together Through Life" fortsetzte, war einige Monate zuvor schon fast besorgniserregend. Dieses Mal im Südwesten der USA unterwegs, befördert der Altmeister Tex-Mex-Traditionen zurück ins kollektive Popgedächtnis, lässt gemächlich Blues, Country und Rock'n'Roll vorbeispazieren. Und ist dabei eben (fast) unfehlbar.
4. Mumford & Sons "Sigh No More"
Es muss das auf "Sigh No More" oft Melodie führende Banjo sein - eine andere Erklärung gibt es wohl kaum dafür, warum sich das Debütalbum von Marcus Mumford und seinen Söhnen in der Masse von Folk-geschulter Popmusik durchsetzte und hemmungslos im Gehörgang festsetzte. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Briten sich nicht an sentimentalen Traditionen oder schwermütiger Trauer ergötzten, sondern jene in mitreißend-dramatische Indie-Rock-Songs auflösten - und damit den erlösenden Hymnen von Arcade Fire ganz nahe kamen.
5. Pet Shop Boys "Yes"
Stell dir vor, die Pet Shop Boys schreiben wieder tolle Popsongs und keiner hört hin: "Yes" ist leider im wahrsten Sinne vielleicht das unerhörteste Album des Jahres. Kann aber aufgrund seiner herrlich zeitlosen Songs, die die alte Grandezza und den Glamour ihrer 80er-Hits besitzen, auch gerne noch 2010 endlich von allen entdeckt werden. Denn egal, ob bei "Vulnerable" mit spanischer Gitarre, beim glockenklaren Dancefloor-Reigen "More Than A Dream" oder bei der schwerelosen Easy-Listening-Nummer "Beautiful People", Neil Tennant und Chris Lowe sagen Ja zur Popmusik - wie es sonst niemand kann.
6. Jan Delay "Wir Kinder vom Bahnhof Soul"
"Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo diese Mucke her" - Klar: Auf Jan Delays "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" gibt es sie einmal mehr, die deutlichen Kommentare zu Kapitalismus, Konsum und Kommerzpop. Aber insgesamt strömt doch Hoffnung (siehe einleitendes Zitat) durch die Funk-, Soul- und Disco-Nummern des Hamburgers. Und in Sachen Mutter-Sprachwitz und Musikalität macht Jan Delay in (Rap-)Deutschland kaum jemand etwas vor - und politisches Engagement und pures Entertainment vollkommen unpeinlich zu vereinen, schafft sowieso keiner sonst.
7. Florence & The Machine "Lungs"
Es war schon ein kleines Fräuleinwunder, das 2009 von der britischen Insel gen Festland schwappte. Während die jungen Damen teilweise aber eher mit ihrer großen Klappe (Lily Allen), ihrer Frisur (La Roux) oder ungerechtfertigten Vorschusslorbeeren (Little Boots) auffielen, stellte Florence Welch die Nebenbuhlerinnen locker in den Schatten. In Musik und Optik zwar ebenfalls extravagant und extrovertiert, setzen sich ihre mal zerbrechlichen, dann wieder skurril-furiosen Songs zwischen dramatischem Pop (die Ohrwurmmelodien!), 60er-Jahre-Folk (die Harfe!) und fröhlicher Punkattitüde (ihr Hit "Kiss With A Fist") in Herz und Gehörgang fest. Und bleiben dort.
8. The Prodigy "Invaders Must Die"
Einmal Gehirn ausschalten, bitte! Die zuckenden, überfallartigen Breakbeats, die heulenden Synthies, die monströs übereinander gestapelten Effekte und Keith Flints dreckig-düstere Parolen auf "Invaders Must Die" müssen zwar Feingeistern aufgrund ihrer anachronistischen Herkunft aus den frühen 90-ern enorme Schmerzen bereiten. Wer sich jedoch The Prodigys nostalgischen Rave richtig, als befreiendes Bewegungsprogramm für Bauch, Beine, Po verstand, wird mehr als belohnt. Und darf das Gehirn zur Endorphinproduktion getrost wieder einschalten.
9. Pearl Jam "Backspacer"
Fast meint man, Eddie Vedder lächeln zu hören. Ja, tatsächlich, der ewige Grummel-Grunge-Rocker, der, so schien's, immer zentnerschwer an eigenen Erfolgs- und den übrigen Lasten der Welt zu tragen hatte, wirkt auf "Backspacer" - vielleicht zum allerersten Mal - entspannt. Und lässt seine Kollegen frank und frei aufspielen: So kraftvoll, krachig und knackig-frisch wie auf ihrem neunten Album klang die Band aus Seattle selten. Und zeigt höchstens noch allerletzte kleine Rückstände von Melancholie und Weltschmerz, die Vedder als letzter großer "Überlebender" des Grunge, im Zweifel aber eben wunderbar weglächelte.
10. Jochen Distelmeyer "Heavy"
"Alles macht weiter" hieß ein Song seiner Ex-Band Blumfeld. Und Jochen Distelmeyer machte weiter, mit einem Soloalbum, das doch ziemlich nahtlos an das Bandoeuvre anknüpfte - die naiv-naturalistische Folkplatte "Verbotene Früchte" mal ausgenommen. Und während das Feuilleton und Musikmagazine noch mehr als früher Diskurs-Pop-Ansätze und vermeintliche Distinktionsgewinne diskutierten, verpassten viele die schlichte Schönheit dieses Albums, in dessen Verlauf fast schon chronologisch politische wie emotionale Zustände (Sehnsucht, Liebe, Trennung, Neuanfang) in zeitlosen und extrem geschmeidig arrangierten Popsongs aufgearbeitet werden.
außer Konkurrenz: Michael Jackson - Thriller
Kein Jahresrückblick 2009 ohne Michael Jackson: Nach seinem tragischen und immer noch geheimnisumwitterten Tod verkauften sich die Platten des "King Of Pop" besser denn je. Bei aller posthumen Verklärung und der damit einhergehenden kommerziellen Ausbeutung seines Gesamtwerks sollte jedoch vor allem eines in Erinnerung bleiben: sein 1982er-Album "Thriller". Denn (nur) dort lief das Gesamtkunstwerk zu wirklich bedeutender musikalischer Form auf, verstanden es Jackson und Produzent Quincy Jones den zuvor schon guten R&B-Songs, den notwendigen Nachdruck zu verleihen: "Wanna Be Starting Something" war harter Funk, "Beat It" glänzte als Disco-Rocksong mit Eddie-Van-Halen-Solo und "The Girl Is Mine" im Duett mit Paul McCartney war herrlichster Schmalz. Eine wunderbare Pop-Wundertüte - für jeden Geschmack etwas dabei. Und das Album, für das Jackson tatsächlich ewig verehrt werden sollte. ~ Stefan Weber (teleschau)
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