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Die Insel bebt


Popmusik aus Island liegt im Trend

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Die Insel bebt

Popmusik aus Island liegt im Trend

01.12.2009 Und irgendwann meldet sich bei "You Are In Control" Olafur Arnalds zu Wort. Es geht um das Internet als Promotion-Werkzeug. Was der isländische Musiker sagt, ist eher eine Notiz, ein Anstoß, als eine ganze These. Trotzdem liefert es vielleicht so etwas wie einen Erklärungsansatz dafür, warum Island seine Musikwirtschaft nicht nur zum Exportartikel Nummer eins, sondern auch zu einem der ganz großen Standortvorteile auf der Insel machen könnte: Die Künstler diskutieren hier auf Augenhöhe mit der Industrie, erarbeiten quasi gemeinsam den Kreativprozess und dessen Übersetzung in ein Wirtschaftsgut.

Mit "You Are In Control", wo sich eben geschilderte Szene zutrug, findet jeden Herbst in Island die wohl vielversprechendste Konferenz in Sachen Digitale Medien weltweit statt. Kurz darauf steigt Jahr für Jahr "Iceland Airwaves", ein Festival, das nicht zuletzt wegen seines progressiven Bookings Tausende Fans und Brancheninsider aus der ganzen Welt auf die Insel zieht und Reykjavík eine gute Woche lang in einen riesengroßen Live-Club verwandelt. Überall spielen Bands - in den Clubs und Konzerthallen, aber auch in Cafés, Läden und sogar Museen. Und: Unter dem Label "Nordrid" touren die Künstler des Landes durch die Welt - mit Unterstützung ihres Heimatlandes. Kurzum: Popmusik mit all ihren Randgebieten ist für Island einer der relevantesten Impulsgeber der Gegenwart.

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Es ist eine Ministerin, die erklärt, warum die Dinge so laufen, wie sie laufen. Katrín Júlíusdóttir ist seit einem guten halben Jahr Ministerin für Industrie und Tourismus in der neuen, sozialdemokratischen Regierung und - alleine das wäre hierzulande gelinde gesagt unwahrscheinlich - arbeitete vorher in einem IT-Unternehmen. Freundlich teilt sie mit, eine Veranstaltung wie "You Are In Control" würde den "kleinen Nerd" in ihr zutage fördern. Das, was sie sagt, hat dann aber doch etwas mehr Gewicht: "Es gibt Gebiete, in denen wir noch die Kontrolle haben. Wir wollen zeigen, dass dieses Land mehr zu bieten hat, als nur Bankenpleiten, Wasserfälle und Geysire." Dass dem so ist, wird in den nächsten Tagen deutlich: Selbst im fensterlosen Konferenzsaal des Hotels in der Rejkjavíker Innenstadt, in der die Konferenz stattfindet, wird das kreative Potenzial der Insel sichtbar.

Denn auch wenn die Redner aus der ganzen Welt kommen - die Isländer auf der Rednerliste sorgen für Impulse. Da ist etwa Einar Örn Benediktsson, früher einmal bei den Sugarcubes, heute Macher von "Grapewire", ein Dienstleister für digitale Vertriebswege und Shop-Systeme. Da ist Gudjón Mar Gudjónsson vom "Ministry Of Ideas", im Gegensatz zu Júlíusdóttir kein echter Minister, aber jemand, der eine Menge guter Ideen hat, wie man aus der Wirtschaftskrise Chancen generieren kann - und diese nach Erfolgen in diversen Unternehmen im Rahmen der sogenannten "Grassroots-Bewegung" kostenfrei an den Mann bringt. Da ist aber auch der isländische Songwriter Mani Svavarsson, der die Musik für die TV-Serie "Lazytown" schrieb und erklärt, warum man sich als Künstler heute anders vermarkten muss als noch vor zehn Jahren.

Man kann eine Menge von Island lernen, zunächst einmal, was das Kulturverständnis angeht. Die Trennung zwischen ernsthafter Kultur und Popkultur, das wird rasch klar, existiert hier kaum. Wo in Deutschland der Versuch, Kreativpotenzial und die Wirtschaft zusammenzubringen, oft genug in institutionalisierter Langweile wie der Popakademie Mannheim mündete, passiert im kleinen Island mehr. Das mag natürlich daran liegen, dass der isländische Pop seit jeher immer dann erfolgreich war, wenn er sich seine Einflüsse im Jazz, vor allem aber im kulturellen Erbe der Insel holte.

Katrín Júlíusdóttir erzählt von Björk und den Sugarcubes, die Liste lässt sich in die Gegenwart fortsetzen. Da sind etwa Benni Hemm Hemm, übrigens beim deutschen Label Morr Music unter Vertrag und so eine Art zerrupft klingende Tweepop-Marching Band. Da zelebrieren Sigur Rós ihre ganz eigene Klangsprache, üben sich die Veteranen GusGus im Zusammenspiel von Organik und knallharten Techno-Beats. In der Skólavörðustígur, einer der Einkaufsstraßen der isländischen Hauptstadt, verkauft das Label 12Tonar CDs und Schallplatten seiner Acts - etwa des Blues-Songwriters Mugison, der Chanteuse Hafdis Huld oder des ebenso eigenwilligen wie großartigen Apparat Organ Quartet. Und Emiliana Torrini schaffte es mit ihrem "Jungle Drum" in Deutschland auf die Spitzenposition der deutschen Single-Charts, wenn auch mit Unterstützung der Fernsehsendung "Germany's next Topmodel", deren Macher das Stück als Soundtrack zur Finalsendung wählten.

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Normalerweise kommt der Rückenwind aus dem eigenen Land: Júlíusdóttirs Hervorhebung des Kreativpotenzials Islands wird trotz klammer Kassen on- wie offline unterstrichen. So wird auf einer eigenen Seite im Internet (www.icelandmusic.is) alles Relevante über die vivide Popszene mitgeteilt. Es gibt Podcasts, eine Linkliste zu mehreren hundert Bands, die Kontaktadressen der wichtigsten Macher der Insel und alles zu Veranstaltungen wie "You Are In Control" oder "Iceland Airwaves".

Die Förderung der Künstler geht jedoch weiter: Unter dem Label "Nordrid - Iceland Express Music Club" werden momentan Monat für Monat isländische Künstler nach Deutschland geschickt - zuletzt tourten Acts wie Helgi Jonsson, Kira Kira und For A Minor Reflection. Nach einer Winterpause soll es im Februar mit "Nordrid" weiter gehen - wer dann nach Deutschland kommt, steht noch nicht genau fest. Eines dürfte aber klar sein: Lohnen wird es sich. ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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